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Mann zieht an einem Joint.

© dpa

Presse und Politik: Wenn kiffende Piraten auf feiernde Journalisten treffen

Das Verhältnis zwischen Presse und Politik ist zuweilen ein schwieriges. Noch unbehaglicher kann es werden, wenn man sich privat über den Weg läuft, in eindeutigen Situationen - beispielsweise mit einem Joint in der Hand.

Zur Ausgehrealität in dieser Stadt gehört es, dass Cannabis nie weit ist. Ständig wird irgendwo gekifft. Ich nehme das hin, kiffe aber nicht mit. Der süße Duft von Abifahrten, gras- und bierseligen Adoleszenzabenden würde sich ja beim ersten eigenen Zug verflüchtigen. Kommentieren tue ich das Ganze aber schon manchmal. So auch bei J.s Promotionsparty, beim Betreten des Raucherbalkons. „Aha, Drogen!“ grölte ich keck in die wabernden Schwaden.

Daraufhin geschah Unübliches: Der Inhaber des Joints schaute, anstatt mich einfach kiffertypisch zu ignorieren, unbehaglich herüber und fragte, ob ich „der Mann vom Tagesspiegel“ sei – er sei schon vor mir „gewarnt“ worden. Hierzu muss man wissen, dass J.s Mitbewohnerin H. Mitglied just jener Partei ist, über die ich zu ihren Hochzeiten lange berichtet habe: der Piraten.

Das schwierige Verhältnis von publizistischer und politischer Sphäre

Diese Szene ist nur ein pars pro toto für einen Abend, an dem mir einige Male Menschen über den Weg liefen, die entweder mich aus dem Kontext Piraten erkannten oder von mir erkannt wurden. Daraus wurde dann stets ein mehr oder weniger unbehagliches Sich-Umkreisen, das Ganze erwies sich als Lehrstück für das schwierige Verhältnis von publizistischer und politischer Sphäre.

Bei den Parteitagen in vollgerümpelten Stadthallen war es einst schwergefallen, Distanz zu jenen Menschen aufzubauen, von denen viele, typmäßig, tatsächlich Mitbewohner von Freunden hätten sein können. Ebenso schwer fiel es nun allen Beteiligten, im Gedröhne einer volltätowierten Hipster-Klezmer-Band, runterzukommen auf jene Umgangsformen, die unter tendenzlinken Mittelschichtkindern unter 35 bei derartigen Anlässen in Neuköllner Altbauetagen eben üblich sind: duzen, prosten, und auch mal ohne Angst Unsinn erzählen.

Ein Zug Cannabis schwingt mit

Die Frage, die sich in einer dann doch recht überschaubaren Stadt wie Berlin häufiger stellt, als man so erwarten würde, stellte sich hier in besonders gedrängter Form: Wie behandelt man Protagonistinnen und Protagonisten der eigenen Berichterstattung, wenn sie einem privat, mehr noch: bei einem recht exzessiven nächtlichen Rumgehopse über den Weg laufen? „Guten Tag, Frau D., schön, Sie hier zu treffen. Wie gefällt Ihnen die Musik?“ Wohl eher nicht. „Hey, L., alte Hütte, ich hab dich mal zum Wirtschaftsprogramm interviewt.“ Wohl auch nicht.

Hinzu kommt speziell bei den Piraten eine weitere Frage: Ist es für die Distanznahme irgendwie von Belang, dass die Bedeutung der Partei im Schwinden begriffen ist? Gibt es das zwischen Presse und Politikern: dass jetzt „eh alles egal“ ist?

Der vorsichtige Kifferpirat mochte das im scheiternden Gespräch mit mir nicht näher erläutern. Aber er bot mir dann doch, wie es viele tun, wenn ich ihren Cannabis-Konsum kommentiere, einen Zug an. Als ich, wie üblich, ablehnte, schien etwas mitzuschwingen, was ich niemals gemeint und nicht gedacht hatte.

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