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Tatjana Turanskyj

© Homepage turanskyj-ahlrichs.com

Pro Quote Regie: Es ist auch ein Arbeitskampf!

Folgendes Statement hat die Filmemacherin Tatjana Turanskyj bei der Berliner "Pro Quote"-Veranstaltung im Arsenal-Kino verlesen. Turanskyj ist Gründungsmitglied der Initiative.

Die Filmemacherin Tatjana Turanskyj lebt in Berlin. Ihr jüngster Film, "Top Girl oder la déformation professsionelle" mit Julia Hummer in der Hauptrolle hatte dieses Jahre auf der Berlinale im Forum Premiere. Sie hat den Verein "Pro Quote Regie" gemeinsam mit Kolleginnen gegründet.

1.     Die Quote und die Kultur

Gefährdet die QUOTE die künstlerische Freiheit?
Es gibt viele Argumente gegen die Quote. Quote und Kultur, das passt nicht zusammen. Das wichtigste Argument gegen die Quote ist die Gefährdung der  „künstlerischen Freiheit“. Manchmal ist sogar „die Freiheit der Kunst“ bedroht.  Ja, die „künstlerische Freiheit“ ist heilig, vor allem, wenn es um die Quote geht…
Dabei steht „die Freiheit der Kunst“ weder beim Fernsehen noch beim Film ganz weit oben.…
Wir sehen die „künstlerische Freiheit“ eher durch die gegenwärtige Situation gefährdet, die durch eine sehr einseitige weiße, heteronormative, männliche (zu schweigen von bürgerlicher) Dominanz gekennzeichnet ist

Die Gegenfrage:  Wie kann etwas in Gefahr sein, was es – wenn man es genauer betrachtet  - gar nicht gibt?
Das Fernsehen hat die Kunst  - und damit auch „die künstlerische Freiheit“ – quasi abgeschafft. Da muss nämlich die Einschaltquote erfüllt werden.
Und das Kino?
Auch das Kino hat sich der Ökonomisierung angepasst – gut ist, was Umsatz bringt. Die Filmförderungen sind  bis auf wenige Ausnahmen Wirtschaftsförderungen – Diversität –auch hier keine handlungsleitende Kategorie.
Die „Freiheit der Kunst“ kann nicht in Gefahr sein, nur weil mehr Regisseurinnen arbeiten…. Es ist sogar möglicherweise genau umgekehrt: Gerade weil den freien Regisseurinnen  und  Filmemacherinnen künstlerische Freiheit wichtig ist – brauchen wir die Quote.

DIE QUOTE ist in guter Gesellschaft
•Seit den 70er Jahren - also seit fast 50 Jahren kämpfen Regisseurinnen um Anerkennung, gegen Ausgrenzung, um Gelder, um Geschlechtergerechtigkeit!
•1988 gab es dann die Verfassungsklage vom Verband der Filmarbeiterinnen. Diese Klage wurde abgelehnt.
•Wir sind jetzt die 3. Generation Filmemacherinnen, die eine geschlechtergerechte Verteilung der Mittel und Aufträge fordert - Und hoffentlich die letzte!

2.     die Quote und die Wirtschaft
It´s the economy, stupid!
•Im Gegensatz zu den 70er Jahren geht es heute nicht mehr um Identitätspolitik. Es geht nicht darum, dass Frauen „andere“ Filme machen.  Alle 200 Unterzeichnerinnen machen einen anderen Film – jeder Filmemacher, jede Filmemacherin macht einen „anderen“ Film!
•Wir schreiben das Jahr 2014!
•Heute geht es um die Ökonomie!!!

Die Ökonomie ist nicht geschlechtsneutral.
•Fürs Filme machen braucht man Geld. Ein Regieauftrag ist auch ein Arbeitsverhältnis.
•Die von uns ermittelten Zahlen kommen einem Berufsverbot gleich.
•Das ganze ist auch ein Arbeitskampf!

3.     Die Quote und die Gesellschaft
•Unsere Gesellschaft kann es sich nicht leisten, dass die Vielfalt ihrer Stimmen und die Kreatitivät nicht gehört wird.
•Die Gründe dafür sind vielfältig. Man kann es einen sehr verhärteten, strukturellen Sexismus nennen, der sich mit Begriffen wie Leistung, Qualität und Freiheit  maskiert. Man kann aber auch einfach sagen, dass kein Bewusstsein in der Branche herrscht.
•Die Quote ist letztlich politisches Instrument, das helfen kann, eine asymmetrische Gesellschaft, ja asymmetrische Geschlechterverhältnisse  zu verändern.
•Ja und nicht zuletzt geht es auch  um Deutungshoheiten, um die Macht über die Bilder – nicht zuletzt über Bilder von uns Frauen.

Die QUOTE schafft Diversität
•Ein System, dass keine Diversität zulässt, schwächelt.
•Ein System, das sich selbst nur an Quoten orientiert, sollte nichts gegen Quoten haben.
Eine Quote stellt die Forderung nach Gleichberechtigung auf eine gesetzliche Grundlage und schafft endlich echten Wettbewerb!
•Eine Quote hilft, dass Frauen mehr qualifizierte Jobs machen. Nur dann kann sich unsere Gesellschaft auf lange Sicht verändern.
•Die Quote verhindert so gesellschaftliche Stagnation.

QUOTE versus Selbstverpflichtung
•Es gibt leider keine Positivbeispiele für eine Selbstverpflichtung. Niemand gibt freiwillig seine Pfründe ab.
•Deswegen kommt jetzt die Quote für die Dax-Unternehmen.
•Deswegen fordern die Journalistinnen eine Quote.
•Deswegen fordern die Regisseurinnen in Frankreich, den USA und jetzt Deutschland eine Quote.  In Schweden gibt es eine Quote !
•Jede gesellschaftliche Veränderung ist mühsam erkämpft worden und dann gesetzlich festgeschrieben.

Die QUOTE in Zahlen
Was bedeuten 30, 42 und 50 %
• 42 % : die Hochschulabgängerinnen setzen eine klare Benchmark.  Es sind seit 10 Jahren 42%.
•30 %: In drei Jahren wollen wir eine Auftrags- und Förderquote von 30% erreichen – das sollte zu schaffen sein!
•50%: fifty : fifty ist ein gesellschaftliches Ideal: Frauen machen 50% der Gesellschaft aus!

So geht´s zur Quote: Zusammenarbeit!
•Wir haben alle Vertreter_innen aus Gleichstellungs- und Kulturpolitik, aus den Filmförderungsanstalten und der Filmbranche sowie den Fernsehanstalten zu Gesprächen eingeladen. Mit einigen haben wir bereits Gespräche geführt.
•In allen Gesprächen – mit Befürworter_innen und Gegner_innen der Quote wurde deutlich: Alle erkennen an, dass ein Missverhältnis vorliegt, und dass sich etwas an dieser Situation ändern muss.
•Wir freuen uns auf alle Gespräche, die vor uns liegen.
•Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!

Tatjana Turanskyj

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