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Stilblüten des Unflats. Bei den „Hate Poetry“-Leseshows zitieren Journalisten aus ihren schrecklichsten Leserzuschriften – was dann auch ziemlich lustig werden kann. Die Reihe findet deutschlandweit statt.

© Thies Raetzke

Rassistische Briefe an Journalisten: Hate Poetry - Hunderttausend Zeilen Hass

Sie sind Journalisten. Ihre Namen klingen nicht wie Meier oder Müller. Deshalb werden sie regelmäßig rassistisch beschimpft. Jetzt schicken sie den Müll zurück – in einer öffentlichen Lesung im Theater.

„Mohamed, du bist ein Kinderficker!“ Mails, Kommentare und Briefe dieser Kategorie sind für bestimmte Journalisten Alltag in Deutschland. Das ging schon lange, bevor „Pegida“ anfing, in Dresden durch die Stadt zu flanieren. Eigentlich war der Hass, solange ich mich erinnern kann, schon immer da.

Bei „Hate Poetry“ lesen Journalisten mit dem sogenannten Migrationshintergrund den Hass laut vor, den sie aus ihren Postfächern täglich fischen: Über Mails, Facebook, Twitter und manchmal ganz persönlich erreicht er uns. Bei „Hate Poetry“ leiten wir ihn zurück in die Umlaufbahnen der Hassbriefschreiber. Mit viel Alkohol, Musik und Humor performen wir ihren Hass und lesen ihre Kommentare auf der Bühne vor, manchmal vor bis zu 500 zahlungskräftigen Zuschauern.

Mohamed? Eindeutig ein "salafistischer" Name

Wer schreibt solche bösen Zeilen? Wie sieht der durchschnittliche, wie sieht der perfekte Hassbrief aus? Welches Bedürfnis steckt wohl dahinter? Es folgt eine kleine Anthropologie des Hassbriefes.

Der Hassbriefschreiber hat die „Faxen dicke“, es „hängt ihm zum Halse raus“ und er findet das, was er da liest, „zum KoTzEn“, und das immer und immer wieder. Nicht selten liest der durchschnittliche Hassbriefschreiber seinen Brechreiz an der Autorenzeile ab. Sein Magen reagiert allergisch auf zu viele Ös und Üs in Vor- oder Nachnamen. Und wenn da sogar so ein mutmaßlich eindeutiger „salafistischer“ Name wie „Mohamed“ steht, muss die Kartoffelsuppe definitiv raus.

Das eigentliche Thema des Artikels unter der Autorenzeile oder die Tatsache, dass allein der Autorenname selten auf die politische oder (nicht-)religiöse Einstellung schließen lässt, besänftigen den Hassbriefschreiber kaum. Meistens kommt er nicht mal auf die korrekte Geografie im Zusammenhang mit der oft geäußerten Aufforderung „Geh zurück in die Türkei!“, heißt es dann. Der Name Amjahid zum Beispiel kommt aber von Dschihad, das ist definitiv kein türkisches Wort.

Hassbriefschreiber sind männlich - und fürchten die CIA

Bei der Beschreibung des Hassbriefschreibers benötigt man selten die weibliche Form. Zwar sind viele von ihnen anonym im Internet unterwegs, aber die meisten – User wie „Maria gegen Scharia“ mal ausgenommen – verstecken ihre Männlichkeit nicht. Einige wollen einen sogar direkt mit der ersten Zuschrift „ficken, weil du es als mieser Mohammedaner nicht anders verdient hast“. Gern berufen sie sich auch auf Jesus, „der würde die Flut von Muslimen und Flüchtlingen auf jeden Fall stoppen“.

Auch eine relativ gut bekannte Gruppe, off- wie auch online, kann in diesem Zusammenhang nicht entschuldigt werden. Unsere Community-Redaktion sperrt manchmal im Minutentakt entsprechende Hass-Kommentare. Aber auf einen Großteil des Hasses haben wir gar keinen Einfluss: Viele Kommentatoren im Netz sind nämlich gar keine Leser. Denn sie verachten die „Lügenpresse“ und wollen die angeblich mit uns kooperierende CIA weder mit Geld noch mit Klicks unterstützen.

Syrer, Türke, Afghane, egal: "Die Ausländer bedrohen das Abendland"

Die Autorenzeilen und Texte der Journalisten mit dem sogenannten Migrationshintergrund, die „der Islamisten-U-Boote“ also, erreichen diese Menschen bevorzugt über Seiten wie die von PI-news. PI steht für den Anglizismus politically incorrect. Auf diesen einschlägigen Hass-Seiten im Netz ist dann eine „völlig objektive“ Zusammenfassung der „skandalösen Artikel“ zu lesen. Wichtiger als der eigentliche Artikel ist es aber, den Stamm-Usern einen ausführlichen, teils imaginären Lebenslauf des Autors zu servieren. Mal bin ich Syrer, am nächsten Tag Türke oder Afghane. Ist ja eh alles dasselbe: „Die Ausländer bedrohen das Abendland.“

Deswegen muss dann ein Kommentar her, um sich ein wenig abzuregen. Aber Hasskommentare im WWW, die der „weinerliche Quotenmigrant“ gar nicht liest, sind keine guten Hasskommentare. Ich habe aber Glück mit dem Hass und bekomme den Service geliefert, dass eine Linksammlung regelmäßig unaufgefordert in meinem persönlichen E-Mail-Fach eintrudelt. Man kann mich ja bequem über ein Kontaktformular auf meinem Blog erreichen. Dieser Service ist sehr praktisch, dann muss ich für „Hate Poetry“ gar nicht recherchieren: mehr Zeit für die eigentliche Arbeit.

Beim Hassbriefschreiben ist die Fäkalsprache beliebt. Im deutsch geprägten Teil des Abendlandes ist der ottonormale Hassbriefschreiber anal fixiert. Ein „Mohamed, du Arschloch“ deutet darauf hin, dass der Kommentar eher spontan geschrieben wurde. Ein „du bist Scheiße“ geht immer zwischendurch.

"Sie können zwar gut schreiben, Sie müssen aber trotzdem Deutschland verlassen!!!!"

Aufwendiger ist da der ausführliche Hassbrief, der sich tatsächlich mit dem Inhalt eines Artikels auseinandersetzt. Das kommt immerhin – objektiv gefühlt – in rund zwanzig Prozent der Fälle vor. Diese Briefe können durchaus als Avantgarde bezeichnet werden, sie kommen ohne „Furzen, Ficken“ usw. aus. Dann heißt es zum Beispiel ausführlich, dass „Araber Antisemiten sind“. Es ist aber schon angenehm, ab und zu einen Davidstern im Anhang einer Mail zu erhalten. Eine Abwechslung, wenn man sonst Massen an Hakenkreuzen, Schweineköpfen oder ein animiertes GIF-Bild vom tanzenden Ku-Klux-Klan bekommt.

„Sie können zwar gut schreiben, Sie müssen aber trotzdem Deutschland verlassen!!!!!“ Was könnte die Motivation hinter solchen Zuschriften sein? Vielleicht meinen es die Hassbriefschreiber gar nicht böse? Einige schreiben sogar explizit, dass sie „gerne mal einen Döner essen“. Sie können dann ja nichts gegen Ausländer haben, nur weil sie kollektiv deren Abschiebung fordern. Wie bei „Pegida“ in Dresden zunächst vermutet, könnten es aber auch diffuse Ängste sein, die Hassbriefschreiber antreiben. Aber wer Angst um sein Leben und das seiner Familie hat, wird wohl kaum die Nerven und die Zeit haben, die oben beschriebenen Maßnahmen zu ergreifen. Hassbriefschreiben ist nämlich sehr zeitintensiv.

Am Sonntag, 15. Februar, liest unser Redaktionsmitglied Mohamed Amjahid im HAU 1 in Berlin aus den besten Hassbriefen. Die Vorstellung beginnt um 17 Uhr, mehr hier. Zusammen mit Özlem Gezer, Hasnain Kazim (beide „Spiegel“), Mely Kiyak, Ebru Tasdemir (freie Autorinnen), Yassin Musharbash, Özlem Topçu (beide „Die Zeit“) und Deniz Yücel und Doris Akrap (beide „taz“) soll „der Hass von Pegida und Co. in die entsprechenden Umlaufbahnen zurückbefördert werden“. In den letzten Wochen flatterte viel neuer Stoff ins Postfach.

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