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Kultur: Reich die Hand

Emmanuel Gat eröffnet das Tanzfestival Context

Von Sandra Luzina

Es ist zunächst eine Lektion über Präsenz: Wenn die acht Tänzer von Emanuel Gat Dance auf die Bühne schlendern, sich in einer Reihe aufstellen und reglos verharren, dann kreieren sie eine Spannung. Sobald ihre Körper zusammendrängen, um sich in den Raum aufzufächern, erinnert dies an eine erblühende Knospe. Das Öffnen und Entfalten ist choreografisch so instrumentiert, dass der Zuschauer ein musikalisches Thema zu hören meint. Doch „Silent Dance“ kommt ohne Musik aus. Der Tanz behauptet seine Autonomie, und ist doch kein Exerzitium. Wie der israelische Choreograf, der heute in Frankreich arbeitet, mit den Bewegungsmöglichkeiten des Körpers spielt, die Gruppe im Raum organisiert, Motive variiert, ist reizvoll.

Emanuel Gat und Roy Assaf beginnen ihr Duo „Winter Variations“ ebenfalls in der Stille. Wenn dann Schuberts Lied „Der Leiermann“ erklingt, hört man dieses Werk ganz neu. Gat und Assaf haben ihre Schubert-Interpretation über die Jahre entwickelt. Schubert wird kombiniert mit einem Beatles-Song, einem Lied des ägyptischen Sängers Riad al Sunbati sowie einem Werk aus Mahlers Zyklus „Lied der Erde“. Auch tänzerisch ist der Radius weiter gesteckt.

Die emotionale Landschaft, die die beiden superben Tänzer durchwandern, ist in dunkle Farben getaucht. Melancholie, die Mühen des Lebens, der verlöschende Elan, aufflackernde Sinnlichkeit – Gat interpretiert die Liedthemen mit Eigensinn. Ob Brüder, Seelenzwillinge oder Doppelgänger – was die beiden Männer verbindet, hält Gat in der Schwebe. Doch der eine kann nicht ohne den anderen sein. Gat und Assaf spiegeln einander, wirbeln umeinander, werden zum Echo, zu Komplizen. Einmal legt Gat seinem Partner die Hand zart auf die Brust als Zeichen eines tieferen Verstehens. Doch Gat und Assaf gehen keine Symbiose ein. Wie sie die Möglichkeiten des Duos ausloten, die Unterschiede im Gleichklang akzentuieren, die Grenzen der Intimität erkunden, ist atemberaubend.

Emanuel Gat und seine tollen Tänzer sorgten für Euphorie beim Auftakt des „Context“-Festivals im HAU 1. Ob das so bleibt, ist die bange Frage. Denn die achte Ausgabe des Festivals (bis 29. 1.) trägt den Titel „Schlechte Angewohnheiten“, bei der Premierenfeier wurden hinterlistig Hamburger aufgetischt. Was aber sind schlechte Angewohnheiten im Tanz? Zur Beantwortung dieser Frage sind Choreografen geladen, das eigene Verhalten wie auch das anderer zu beobachten. Bei Künstlern wie Ann Liv Young oder Xavier Le Roy muss man sich auf einiges gefasst machen. Sandra Luzina

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