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Als Drehbuchautor feierte Matthew Weiner große Erfolge, jetzt versucht er sich als Romancier.

© EPA/ANDREW GOMBERT/dpa/picture-alliance

Romandebüt von Matthew Weiner: Die Schöne und der Hilfsarbeiter

Der Oberschicht geht's an den Kragen: Matthew Weiner, Drehbuchautor von „Mad Men“, gibt mit „Alles über Heather“ sein Romandebüt.

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Noch vor wenigen Jahren galten Fernsehserien wie „Die Sopranos“ oder „The Wire“ als die narrative Form des 21. Jahrhunderts. Was der Roman verlernt habe, nämlich vielschichtig und ausufernd Geschichten zu erzählen, das gelinge neuerdings in diesen Formaten. Einer der Masterminds des Genres, der Drehbuchautor Matthew Weiner, hatte nicht nur bei den „Sopranos“ seine Finger im Spiel, sondern entwarf und schrieb auch die Erfolgsserie „Mad Men“ über die New Yorker Werbebranche der sechziger Jahre. Für seine Serien-Scripts wurde er mit acht Emmys und drei Golden Globes ausgezeichnet.

In einem Interview sprach Weiner einmal davon, dass er eigentlich Romancier werden wollte. Nun hat sich der 52-Jährige diesen Traum erfüllt. Sein Romandebüt „Alles über Heather“ ist ein schmales Werk, eher Novelle als Epos. Der Wechsel vom Drehbuch zur Prosa ist allerdings mit Reibungsverlusten verbunden: Was „Mad Men“ auszeichnete, die langsame Entwicklung komplexer Charaktere und die eindrücklich erzählten Zeitumstände, all das bleibt hier schemenhaft. Der US-Autor Michael Chabon hat „Alles über Heather“ im Klappentext als Mischung aus Flaubert and Richard Yates gepriesen, mit einer Schlusspointe, die „an Muriel Spark in ihren dunkelsten Momenten“ erinnere. An so einem maßlosen Lob und Vergleich mit einer der bedeutendsten britischen Schriftstellerinnen kann ein Autor leicht ersticken.

Weiner erzählt zwei Geschichten parallel. Da ist zum einen das Ehepaar Breakstone, das sich erst in fortgeschrittenem Alter kennengelernt hat und eine recht nüchterne Beziehung führt. Was dem Paar allerdings gelingt: Es setzt ein hinreißendes Kind in die Welt. Töchterchen Heather wächst nicht nur in einigermaßen wohlhabenden Verhältnissen zu einem bildhübschen Teenager heran, sie ist zudem klug, neugierig, politisch interessiert und ungewöhnlich empathisch. Vater und Mutter, die sich im Lauf der Ehe spinnefeind geworden sind, buhlen um die Gunst dieses nahezu perfekten Wesens – mit allen Mitteln.

Begnadeter Drehbuchautor, harmloser Romancier

Weniger perfekt ist der von Weiner eingeführte Gegenentwurf zu diesem Traumgeschöpf: Bobby hat in der Soziallotterie eher die Niete gezogen. Die Mutter ist heroinabhängig und wenig fürsorglich, der junge Mann gerät rasch auf Abwege. Im Gefängnis wird ihm der letzte Schliff für eine potenzielle Verbrecherkarriere mitgegeben. Er ist voller Hass, tötet sogar seine Mutter. Wie es nun der Zufall und das Reißbrett des Autors wollen, laufen sich Bobby und Heather eines Tages über den Weg. Bobby schuftet als Hilfsarbeiter in jenem Haus, in dem die Breakstones eine Wohnung besitzen. Er wirft ein Auge auf das Mädchen, man sollte eher sagen: Er starrt. Und er malt sich aus, was er mit der Schönen alles treiben könnte; die Fantasie enwickelt einen Zug ins Nekrophile. Heather entwickelt hingegen eine Faszination für die leicht animalische Anmutung und die proletarische Kernigkeit des jungen Mannes. Der besorgte Vater von Heather bemerkt den unheilvollen Blickwechsel allerdings auch. Und instinktiv spürt er die Gefahr, die das Ungetüm fürs Seelenheil von Tochter und Familie bedeuten könnte. Es kommt zum makaberen Showdown.

Holzschnittartig sind in dieser Geschichte nicht nur die Figuren, auch die Schilderung der Milieus entbehrt leider größerer Raffinesse. Gleichwohl gibt es einzelne schneidende, lakonische Sätze, die das Umfeld und die Kühle der Protagonisten entlarven. Darin zeigt sich das Können des Autors – und des Übersetzers Bernhard Robben.

Alles in allem aber bleibt die Erzählung arg schematisch in ihrer Anlage, geradezu passgenau ausgeführt und ziemlich blutleer. Der Subtext: Der saturierten Mittel- und Oberschicht wird es früher oder später an den Kragen gehen, auch wenn die Breakstones diesmal noch mit einem blauen Auge davonkommen. Der begnadete Drehbuchschreiber Matthew Weiner hätte aus dieser Konfrontation wahrscheinlich etwas Bitterböses gemacht. Dem Romancier Weiner fehlt der rechte Biss.

Matthew Weiner: Alles über Heather. Roman. Aus dem amerikanischen Englisch von Bernhard Robben. Rowohlt Verlag. Reinbek 2017. 144 Seiten, 16 Euro.

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