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Men on the Bridge: Istanbuler spielen sich selbst

Menschen aus Istanbul spielen in Asli Öges Dokufiction "Men on the Bridge" ihr eigenes Leben. Nebenbei erfährt man einiges über die Lebensbedingungen in der Millionenstadt.

Wenn man nachts über die mehr als einen Kilometer lange Bosporusbrücke fährt und sich also in tiefer Schwärze zwischen Himmel und Wasser befindet, dann kommt es einem, selbst wenn man im engen Minibus sitzt, vor, als schwebte man. Und wenn man, wieder bei Dunkelheit, etwa von den Hügeln des Istanbuler Stadtteils Arnavutköy auf die elegante Hängekonstruktion der 1973 eröffneten Brücke zwischen Europa und Asien schaut, dann wirken die Vorder- und Rücklichter der sie überquerenden Autos wie Armeen von Glühwürmchen, die sich auf ein unbestimmtes Ziel zu bewegen. Von der hinreißenden Schönheit solcher Momente ahnen diejenigen nichts, die sich tagtäglich durch den stets dichten Verkehr quälen müssen, um nach Hause oder zur Arbeit zu gelangen. Und noch weniger die, deren Arbeitsplatz die Brücke ist.

Der Minibusfahrer Umut in „Men on the Bridge“ zum Beispiel kreuzt sie in seinen langen Dienststunden mehrfach; der Polizist Murat verteilt Strafzettel an Handy-Telefonierer und andere Verkehrssünder, und der Rosenverkäufer Fikret schlängelt sich durch den Stop-and-go- Verkehr, um seine Ware an den Mann zu bringen. Alle drei haben es satt.

Die in Istanbul aufgewachsene Berliner Regisseurin Asli Özge hat die Geschichten ihrer drei realen Protagonisten zu einem Drehbuch verarbeitet und sie nebst ihrem sozialem Umfeld auch gleich als Schauspieler angeheuert. So agieren – mit Ausnahme der Polizisten, die keine Genehmigung für die Teilnahme an den Dreharbeiten erhielten – Laiendarsteller, die sich selbst spielen. Ihre Geschichten und Träume sind bescheiden; und man freut sich, dass Asli Özge es dabei gelassen hat. Vorsichtig, als ob er nicht stören wollte, nähert sich auch Kameramann Emre Erkmen den Behausungen der jungen Männer, Blicke durch Türrahmen lassen ihnen, so scheint es, ein Stück Privatsphäre, in das einzudringen der Respekt vor ihnen verbietet.

Gern folgt man dem Chauffeur Umut und seiner Frau bei ihren Wohnungsbesichtigungen, dem Polizisten zu seinen Internet-Dates und dem Rosenverkäufer bei der Suche nach einer überdachten, festen Arbeitsstelle. Nebenbei erfährt man einiges über die Lebensbedingungen in der Millionenstadt, die zu den schönsten der Welt gehört, aber nur für diejenigen, denen der tägliche Existenzkampf nicht die Sicht nimmt. Und das ist eine Minderheit.

OmU: Alhambra, fsk am Oranienplatz, Karli

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