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Kultur: Skandal und letzte Hoffnung

„Topographie“-Direktor Reinhard Rürup über seinen Rücktritt

Herr Rürup, Ihr Entschluss, als wissenschaftlicher Direktor des Berliner Dokumentationszentrums „Topographie des Terrors“ zurückzutreten, kam überraschend. Wie spontan haben Sie ihn gefällt?

Ich habe in den letzten Jahren schon häufiger darüber nachgedacht, ob angesichts der unendlichen Verzögerungen des vom Schweizer Architekten Peter Zumthor entworfenen Neubaus nicht der Punkt gekommen sei, an dem ich sage: „Nicht mit mir“. Immerhin trage ich, wenn auch mittelbar, eine Mitverantwortung für dieses Projekt. Ich bin jetzt fast zwanzig Jahre wissenschaftlicher Direktor und ging davon aus, dass der Neubau der „Topographie des Terrors“ fertiggestellt ist, wenn ich 65 werde. In diesem Jahr werde ich 70.

Die letzten Äußerungen der Berliner Bauverwaltung waren doch gar nicht so negativ. Es ist immerhin ein Weiterbau in diesem Jahr, wahrscheinlich im September, angekündigt.

Alle Mitteilungen der Senatsbauverwaltung bleiben im Vagen, was die Wiederaufnahme der Bautätigkeit angeht, da werden sehr unterschiedliche Termine genannt. Zudem fehlt noch die Zustimmung der Bundesbauverwaltung.

Sie werfen in Ihrer Rücktrittserklärung der Politik – sowohl auf Bundes- wie auf Landesseite – ein „auffälliges Desinteresse“ und eine „bestenfalls lauwarme Unterstützung“ vor.

Es gibt viele wohlfeile Erklärungen, in denen gesagt wird, das ist ein notwendiges, unterstützenswertes Projekt, aber nachdem dies ausgesprochen ist, ist die Unterstützung auch schon vorbei.

Was wollen Sie mit Ihrem Rücktritt bewirken? Was muss geschehen, damit das Projekt doch noch zu einem guten Ende kommt?

Die Politik muss sich endlich dazu durchringen, diesem Projekt eine Priorität einzuräumen, die man dem Jüdischen Museum und dem Denkmal für die ermordeten Juden Europas zugestanden hat. Die Dinge kommen aus dem Gleichgewicht, wenn es in der deutschen Hauptstadt zwar ein Jüdisches Museum und ein Holocaust-Mahnmal gibt, aber die Frage nach den Tätern und nach der Gesellschaft, in der diese Taten möglich waren, ausgeklammert wird.

Der Bund hat sich gegenüber Forderungen, die Finanzierung ganz zu übernehmen, immer darauf zurückgezogen, dass Gedenkstätten von ihm nur zu 50 Prozent finanziert werden...

Das kann man leicht entkräften. Die „Topographie des Terrors“ ist keine Gedenkstätte. Gedenkstätten sind Orte, an denen man der Opfer gedenkt. An einem Ort der Täter können Sie nicht gedenken, über Täter kann man nur informieren. Man kann sagen: Dies ist ein historischer Ort, in dem es um die Geschichte des Nationalsozialismus geht, so wie das beim Denkmal und – in gewisser Weise – beim Jüdischen Museum der Fall ist, das eine von den Nationalsozialisten zerstörte Geschichte dokumentiert. Diese drei Institutionen gehören zusammen.

Als konkreten Anlass für Ihren Rücktritt haben Sie die Streichung von Sondermitteln durch den Bund genannt.

Das war der unmittelbare Auslöser. Ich bin von der Kulturverwaltung informiert worden, dass die vom Bund vor einigen Jahren bewilligten Mittel für die Vorbereitung der Ersteinrichtung des Neubaus nicht mehr ausgezahlt werden. Weil man nicht wisse, ob das Gebäude überhaupt zustande kommen werde, und wenn doch, wann. Darüber könnte man ja noch diskutieren. Aber die Einstellung der Mittel beeinträchtigt die Arbeit der Stiftung unmittelbar. Wir haben zum Beispiel eine der für den Neubau geplanten Dauerausstellungen über „Das Hausgefängnis der Gestapo-Zentrale. Terror und Widerstand 1933 - 1945“ soweit vorbereitet, dass wir im Mai diesen Teil der Ausstellung vorab auf dem Gelände zeigen wollten: in diesem Jahr, in dem sich der Widerstand des 20. Juli 1944 zum 60. Mal jährt.

Die Qualität der wissenschaftlichen Arbeit der Stiftung ist international unbestritten – nicht zuletzt dank Ihres Einsatzes. Fürchten Sie nicht, mit Ihrem Rücktritt der Stiftung mehr zu schaden als zu nützen?

Darüber habe ich natürlich auch nachgedacht. Doch wenn der Rücktritt des wissenschaftlichen Direktors als günstige Gelegenheit wahrgenommen wird, mit dem Unternehmen aufzuhören, dann wäre das Projekt auch nicht zu retten gewesen, wenn ich dageblieben wäre. Meine Hoffnung ist natürlich die umgekehrte: dass von diesem Rücktritt eine Signalwirkung ausgeht, endlich den politischen Willen zu formulieren, das Projekt fertigzustellen – und zwar in naher Zukunft.

Das Gespräch führte Christina Tilmann.

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