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Kultur: Spiel mir das Lied vom All

Mit dem Lasso gegen Außerirdische: Harrison Ford und Daniel Craig im Science-Fiction-Western „Cowboys & Aliens“

Western und Science-Fiction-Filme gibt es beinahe schon so lange wie das Kino selbst. Die erste öffentliche Filmvorführung lag gerade erst sieben Jahre zurück, als Georges Méliès 1902 sein Filmmärchen „Die Reise zum Mond“ zeigte. Ein Jahr später folgte die Uraufführung von „Der große Eisenbahnraub“, der als erster Western gilt. Western und Science Fiction haben vieles gemeinsam: Bei beiden geht es um eine notfalls bewaffnete Landnahme, um das Vordringen der Zivilisation in die „unendlichen Weiten“ – wie es im Vorspann von „Raumschiff Enterprise“ heißt – einer gefährlichen, noch unerforschten Welt.

In Hollywoodfilmen sind Raumfahrer immer auch Cowboys, die wie General Custers verwegene Kavalleristen die Fahne der westlichen, genauer gesagt: amerikanischen Kultur gegen bösartige Außerirdische verteidigen. Und ist die Mos Eisley Cantina der „Star Wars“- Filme, in der die seltsamsten Kreaturen in Streit miteinander geraten, nicht eigentlich ein Saloon?

Deshalb erscheint es zunächst rätselhaft, dass bis zur Fusion von Western und Science Fiction mehr als hundert Jahre verstreichen mussten. Doch wenn man den Film „Cowboys & Aliens“ gesehen hat, der am Donnerstag in die deutschen Kinos kommt, weiß man, warum: Die beiden Genres passen einfach nicht zusammen, so wie Menschen und Klingonen. Dabei hätte so ein Mash-Up von reitenden Männern und fliegenden Untertassen durchaus ein großer Spaß werden können, wie Tim Burton mit seiner Sci-Fi-Groteske „Mars Attacks!“ bewiesen hat, wo die grünen Männchen am Ende zu Hillbilly-Musik zerplatzen. Doch Regisseur Jon Favreau meint es leider bitterernst, seine Verfilmung einer Graphic Novel von Scott Mitchell Rosenberg sollte ein genauso bollernder, ballernder, im großen Computereffekt-Spektakel endender Blockbuster werden wie seine „Iron Man“-Filme. Was aber schiefging.

Der Titel „Cowboys & Aliens“ beschreibt den Inhalt des Films bereits ziemlich erschöpfend. Das topografische und personelle Setting erinnert an Dutzende Western. Da ist ein kleines Wüstenkaff im Arizona des Jahres 1873, das von einem Großgrundbesitzer und seiner Bande beherrscht wird. Dieser Colonel Dolarhyde lässt schon mal einen unfähigen Untergebenen von einem Pferd zu Tode schleifen. Dass er von Harrison Ford dargestellt wird, der seit seinen „Indiana Jones“-Anfängen einigen Schwung verloren, dafür aber reichlich Hüftspeck dazugewonnen hat, macht ihn nicht unbedingt furchteinflößender.

Da ist ein Fremder ohne Namen und Gedächtnis, eine Figur wie aus einem Spaghetti-Western mit Clint Eastwood, der durch die Pendeltür des örtlichen Saloons tritt, seine Sporen rasseln lässt und knurrend Whisky bestellt. Der Mann hat eine blutverkrustete Wunde und trägt einen futuristisch anmutenden Armreifen, der sich nicht entfernen lässt. Er macht Ärger, legt sich mit dem Sohn des Colonels an, wird verhaftet. Daniel Craig spielt diesen Eindringling mit staksigen Bodybuilder-Bewegungen und einer derart versteinerten Mimik, dass dagegen selbst die großen Western-Lakoniker John Wayne und Robert Mitchum wie Zappelphilippe wirken.

Ein Loner, der sich gegen das Machtmonopol des Kleinstadtdespoten auflehnt und dem dabei das Herz einer schönen, rätselhaften Frau (Olivia Wilde) zufliegt – das wäre eine vielversprechende Konstellation für einen „Zwölf Uhr Mittags“-artigen Thriller, der in ein Shoot-out auf der staubigen Hauptstraße münden könnte. Doch dann attackieren die Außerirdischen das Kaff und den Film. Der Colonel und seine Gang, deren Mitglieder lange „Spiel mir das Lied vom Tod“Mäntel tragen und brennende Fackeln halten, haben sich bereits vor dem Gefängnis versammelt, um den Sohn zu befreien und den Fremden zu lynchen, als flackernde Lichter am nachtdunklen Himmel erscheinen. Es sind Ufos, die die halbe Siedlung in Schutt und Asche legen und mittels lassoartiger Harpunen etliche Bewohner an Bord ziehen. So etwas haben die Cowboys noch nie gesehen, vergeblich schießen sie mit ihren Colts und Gewehren um sich. Nur Craig gelingt es mit seiner Manschette, die sich blinkend in eine High-TechWaffe verwandelt, ein Flugobjekt herunterzuholen.

Ausführender Produzent ist Steven Spielberg, der seine Katastrophen- und Actionfilme gerne mit großen humanistischen Botschaften auflädt. Auch „Cowboys & Aliens“ hat eine solche Botschaft: „Wir müssen zusammenarbeiten.“ Der Fremde und der Colonel, eben noch verfeindet, nehmen gemeinsam die Verfolgung der Ufos auf, um die Entführten zu befreien. Ihnen schließen sich unter anderem ein Junge, der seinen Großvater an die Extraterristen verloren hat, und ein pazifistisch gesonnener Barbetreiber an, der das Schießen erst noch lernen muss. Auch eine Bande von Goldräubern sowie Häuptling Black Knife und seine Indianer lassen sich für die Mission gewinnen.

Der Showdown spielt in einem Canyon, wo die Aliens ihr Mutterschiff eingegraben haben, um Gold zu schürfen. Warum sich diese überlegene Spezies am Ende von Speeren und Tomahawks umbringen lässt, bleibt schleierhaft. Von höherer Intelligenz kann bei den Drehbuchautoren nicht ausgegangen werden.

„Cowboys & Aliens“ startet am Donnerstag in den deutschen Kinos.

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