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Die Akteure sitzen in den Werkstätten mitten zwischen den Zuschauern

© Staatsoper/Stephanie von Becker

Staatsopern-Werkstatt: Vokalakrobaten bei Oscar Strasnoys „Geschichte“

Die Staatsopern-Werkstatt zeigt Oscar Strasnoys „Geschichte“. In einem extra für die Vorstellung gebauten weißen Kasten sitzen Zuschauer und Schauspieler gemeinsam im Publikum.

Von der Gattung der „A-Capella-Operette“ hatte vermutlich noch nie jemand etwas gehört, bevor 2004 Oscar Strasnoys „Geschichte“ nach Witold Gombrowiczs unvollendetem Theaterstück uraufgeführt wurde. Für die Berliner Neuinszenierung von Isabel Ostermann hat Bühnenbildner Christoph Ernst einen weißen, von Neonlicht beleuchteten Kasten in die Werkstatt der Staatsoper gebaut, die Bühnenseite wird von einem großen Spiegel eingenommen. Sechs Akteure sitzen mitten zwischen den Zuschauern, die sich damit selber zuschauen dürfen: eine geistreiche Umsetzung von Strasnoys Ansicht, das Publikum tue in der Operette lediglich so, als fände es die Darbietung lustig.

In dieser Aufführung amüsiert man sich allerdings bestens. Der Held – er heißt genauso wie der polnische Autor – wird von seiner aristokratischen Familie drangsaliert, besteht – in einer krachenden Persiflage des Bildungsromans – die „Unreifeprüfung“ und landet erst am russischen Zarenhof, dann bei Wilhelm II. und dessen Entourage. Obwohl die Handlung in der Zeit des Ersten Weltkriegs angesiedelt ist, erfährt man doch eher etwas über die Launen eines Exzentrikers als über die Triebkräfte des Weltgeschehens. Den Unterschied hielt Gombrowicz allerdings für unbeträchtlich; in einem Anfall von Schuldgefühl und zugleich von Narzissmus bekennt sich das Alter Ego des Autors zum Mord am Thronfolger in Sarajewo.

Strasnoys virtuose Partitur umfasst Anklänge an Madrigal und Choral sowie Parodien von Opern- und Operettengesang, ebenso raffinierte Dissonanzen und Miniaturen im Stil des Varietés. Wobei die sechs Stimmen sparsam durch Tonbandeinspielungen ergänzt werden. Die beiden Frauen und die vier Männer des Ensembles erweisen sich, von Ostermann präzise choreografiert, als Vokalakrobaten und begnadete Komödianten. In der Hauptrolle Daniel Gloger, mit hinreißend angeekeltem Gesichtsausdruck und großartigem Countertenor.

Wieder am 30. September, 1., 9., 10. und 12. Oktober, jeweils 20 Uhr

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