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Der Imker Frank Hinrichs auf dem Berliner Dom.

© Chris Noltekuhlmann

Stadtplanungsfestival „Make City“ in Berlin: Von Kiezhäusern und Urban Gardening

Halbzeit bei "Make City": Das große Berliner Stadtplanungsfestival über "Architektur und Andersmachen" zeigt, wie das Zusammenleben im urbanen Raum funktionieren kann.

Es ist leicht, ein vielfältiges Angebot zu machen: Bienen auf dem Berliner Dom begutachten, eine Plattenbauwohnung besuchen, in einem Boot auf der Spree über „Mediaspree“ diskutieren. Aber es ist schwer, das alles sinnvoll miteinander zu verknüpfen. Beim Festival „Make City“ funktioniert das. „Architektur und Andersmachen“ lautet das Konzept; anders auch deshalb, weil jede der über hundert Veranstaltungen kostenlos ist.

Wie dieses Andersmachen aussehen könnte, zeigt der Bienenbesuch auf dem Berliner Dom. Bienen sind überlebenswichtig für die Stadtnatur. Die Tiere haben zunehmend Probleme mit Parasiten, die in städtischen Monokulturen gedeihen. Dazu kommt: Immer weniger Menschen erlernen den Imkerberuf. Die Initiative „Berlin summt“ hat sich seit 2011 zum Ziel gesetzt, Bienenstöcke an öffentlichen Orten zu unterhalten. Mittlerweile gibt es 19 Standorte: auf dem Haus der Kulturen, dem Tempelhofer Feld, dem Abgeordnetenhaus, dem Schiller-Theater.

„Berlin summt“ zeigt exemplarisch, worum es bei „Make City“ geht: Gemeinschaftlichkeit im urbanen Raum. Das Thema beschäftigt die Berliner Gesellschaft wie kaum ein anderes. Der Volksentscheid zum Tempelhofer Feld hat Nachahmer gefunden, die Macht der Bürger wurde lange unterschätzt. Kiezhäuser erleben ein Revival, Urban-Gardening-Projekte sprießen in den ungenutzten Ecken der Hauptstadt, derer es noch viele gibt. Rund ein Drittel der Veranstaltungen beschäftigt sich mit dem Thema: Wie wird ein ungenutzter zu einem gemeinschaftlichen Ort?

Berlins gemeinschaftliche Ordnung wird bedroht

Doch was genau ist das? Die Soziologin Fran Tonkiss hat dazu einen Vortrag gehalten im Tschechischen Zentrum, dem Hauptort von „Make City“. „Bei gemeinschaftlichen Orten denken wir zunächst an Volksparks, große Flächen“, sagt die Professorin der London School of Economics. „Eigentlich ist aber jeder Ort zwischen Bebauung ein potenziell gemeinschaftlicher Ort.“ Dazu gehören Randbereiche von Bahntrassen, Kanalufer, verlassene Lagerhallen. Die Stadtverwaltung müsse dafür sorgen, dass sie sich nutzen lassen, fordert Tonkiss. „New York und London bieten eine Unmenge an Daten über ihre freien Flächen an“, sagt sie. Hier gibt es das nicht.

Berlin galt lange als Paradies der Zwischennutzungen, ein Teil des Charmes der Stadt beruht darauf. Doch gerade hier fehlen die Regeln für die Nutzung und Erhaltung. „Die größte Bedrohung für einen gemeinschaftlichen Ort ist die Aneignung durch bestimmte Gruppen“, sagt Tonkiss. Das könne klassische Privatisierung sein, aber auch Okkupierung durch Anwohner oder Subkulturen. Ein Beispiel für eine solche Fehlentwicklung ist die Cuvry-Brache in Kreuzberg: ein Gelände mit Spree-Zugang mitten in der Stadt, von Anwohnern und Touristen für sich entdeckt. Dann aber entstand eine Zeltstadt darauf, es gab Brandstiftung, Gewalt. Der Ort wurde für die Mehrheit nicht mehr nutzbar. Die Londoner Soziologin fordert Möglichkeiten, potenzielle gemeinschaftliche Orte zu identifizieren, die dann aber in Bürgerhand bleiben: „Anwohner wissen einfach besser, wie sie ein Nachbarschaftshaus oder einen Gemeinschaftsgarten gestalten wollen.“

Zukunftsstadt Berlin: Wie wollen wir leben?

„Make City“ trifft den Nerv. Das Bildungsministerium hat das Wissenschaftsjahr 2015 unter den Slogan „Zukunftsstadt“ gestellt. Die Frage „Wie wollen wir leben?“ beschäftigt viele in einer sich immer schneller urbanisierenden Welt. Bis 28. Juni können sich die Berliner ein Bild davon machen, was für Ideen es dafür gibt.

Mehr Info: www.makecity.berlin

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