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Ein Modell für das umstrittene Einheitsdenkmal vor dem wieder errichteten Schloss.

© picture alliance / dpa

Streit ums Einheitsdenkmal: Wenn’s erst mal steht, finden die Leute es gut

Was lange währt...wird endlich gut? Ein Beitrag zur Debatte um das Berliner Einheitsdenkmal.

Erinnern wir uns an den langwierigen Streit um die Reichstagskuppel, das Symbol der Souveränität des Parlaments? Es war Oscar Schneider, der frühere Bundesbauminister, der sie dann als Bundestagsabgeordneter gegen alle Widerstände beharrlich durchgesetzt hat. Der Beschluss zum Bau der Kuppel wurde im Ältestenrat mit nur einer Stimme Mehrheit gefasst! Heute ist die begehbare Kuppel das Symbol der Berliner Republik und die Menschen stehen Schlange, um ihr Inneres besichtigen zu können.

Oder erinnern wir uns an die Neue Wache, die Helmut Kohl mit Hilfe des Historikers und Museumsmanns Christoph Stölzl als nationale Gedenkstätte für die Opfer von Krieg und Gewaltherrschaft neu gestalten ließ. Ohne große Öffentlichkeit, um den Aufschrei wegen des Verdachts der „Geschichtsrelativierung“ wie bei des Kanzlers Initiative für ein Deutsches Historisches Museum zu vermeiden. Die lebensgroß vergrößerte Pieta von Käthe Kollwitz löste dann Proteststürme in den Feuilletons aus. Heute erlebt man die Besucher in Schinkels Neuer Wache vor der Mutter mit totem Sohn in andächtig betroffener Stille.

Auch ums Holocaustmahnmal wurde lange gestritten

Die langjährige leidvolle Genese des Berliner Holocaustmahnmals ist bekannt. Bis zuletzt wurde Peter Eisenmans und Frank Stellas preisgekrönter Entwurf vom gerade neu gekürten Kulturstaatsminister Michael Naumann infrage gestellt. Als dann zusätzlich ein unterirdischer Informationsort beschlossen wurde, lenkte der SPD-Politiker schließlich ein. Heute gehört das ebenfalls begehbare und doch würdige Mahnmal in der abstrakten Stelen-Gestalt eines jüdischen Gräberfelds eindrucksvoll und unverzichtbar zum Stadtbild der Hauptstadt.

Darf nach dem Rückblick in den Abgrund der deutschen Geschichte mit den Opferdenkmalen um das Brandenburger Tor den Menschen nicht auch Ausblick und Hoffnung in die Zukunft geboten werden? Am Fluchtpunkt der Linden soll auf der Schlossfreiheit vor dem als Humboldt-Forum der Weltkulturen wieder errichteten Schloss in Freude und Stolz die geglückte Friedliche Revolution gefeiert werden. Das nationale Freiheits- und Einheitsdenkmal – so die Idee der Initiatoren – soll ein Denkmal der Friedlichen Revolution von 1989 sein, ein Revolutionsdenkmal! Es soll nach historischen Abgründen und Irrwegen die in einer demokratischen Revolution erfolgreich errungene Freiheit und Einheit feiern.

Der Sockel des Kaiser-Wilhelm-Denkmals erinnert an die erste deutsche Einheit von oben, die Bismarck bewerkstelligt hat. Auf diesem Sockel des Deutschen Reiches – Kaiser Wilhelm ist nicht mehr – fußt als Rechtsnachfolgerin die Bundesrepublik Deutschland. Es ist wiederum eine Einheit von unten, in demokratischer Revolution erkämpft und in Grenzen, die im Einklang mit den europäischen Nachbarn verlaufen. Der Ort der Schloßfreiheit erinnert an den historischen Werdegang der demokratischen Revolution in Deutschland, an die liberale Paulskirchen-Revolution von 1848 mit den Barrikaden am Berliner Schloss und dem „Hut ab!“ des Königs vor den Märzgefallenen als dramatischem Höhepunkt. Er erinnert auch an die soziale und demokratische Revolution von 1918, als der mächtige Trauerzug mit den Opfern der Novemberrevolution über den Platz zog. Und nicht zuletzt zog der Hauptstrom der Demonstranten am 4. November 1989 über die Schloßfreiheit vor den Palast der Republik ins Machtzentrum der SED und von dort zum Alexanderplatz: zur größten Kundgebung, die die DDR je erlebte. Wenige Tage später fiel die Mauer.

Der preisgekrönte Entwurf des Freiheits- und Einheitsdenkmal „Bürger in Bewegung“ von Johannes Milla und Sasha Waltz ist nach der Lösung aller technischen und Sicherheitsfragen durch Milla & Partner bis zur Baureife weiterentwickelt worden, die Baugenehmigung erteilt. Wie die Reichstagskuppel und das Holocaustmahnmal ist auch das Einheitsdenkmal begehbar. Es lädt zur Mitwirkung ein, es ist allgemeinverständlich und kommt ohne falsches Pathos aus. Der Schwung der Schale setzt vor die barocke Schlossfront ein zeitgemäßes Zeichen. Auch gegen den Spitznamen „Wippe“ ist nichts einzuwenden. Es soll ja ein Volksfest werden.

Die Waagschale ermutigt, den aufrechten Gang zu erproben

Auch unsere Demokratie bewegt sich schließlich, wie durch Stimmengewichte, in einer Waagschale, mal mehr nach links, mal mehr nach rechts. Schulklassen können das ausprobieren. Als bewegtes und bewegendes Denkmal und geschichtsträchtiger Ort ermutigt es die Besucher und Passanten, den aufrechten Gang der Revolutionäre von 1989 und den ihrer historische Vorkämpfer zu proben. Und ihnen nachzueifern in der Mitgestaltung und Verteidigung unserer mit so vielen Opfern erkämpften freiheitlichen und sozialen Demokratie.

Christoph Stölzl, der frühere Direktor des Deutschen Historischen Museums, fand auf der jüngsten Denkmal-Veranstaltung von Kulturstaatsministerin Monika Grütters die richtigen Worte, nachdem der Haushaltsausschuss des Bundestages die Wippe in diesem Jahr fürs Erste gekippt hat. „Manchmal geht es mäandernd um ein paar Ecken, mit Boxenstopp und Durchatmen. Gar nicht schlecht. Macht doch gar nichts. Das Land fällt doch nicht auseinander, wenn’s ein bisschen später gebaut wird. Und dann vielleicht im Konsens. Wenn’s dann mal steht, dann finden es die Leute gut.“ Auch die Gegner finden so ein viel diskutiertes Bauwerk erfahrungsgemäß recht schnell schön.

Florian Mausbach war von 1995 bis 2009 Präsident des Bundesamtes für Bauwesen und Raumordnung und gehörte zu den Initiatoren des Einheitsdenkmals.

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