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Kultur: Kriegsbeil

Die Wut singt ihre Lieder: Pressekonferenz mit Karmakar

Die Sache fährt schon nach wenigen Fragen an die Wand. „Mir ist das hier zu primitiv. Entweder geht das Niveau in eine andere Richtung, oder wir lassen das. Wo sind wir denn?“, explodiert der Regisseur. Dabei hatte der Fragende nur höflich versucht, sein Unbehagen an Romuald Karmakars Wettbewerbsbeitrag „Die Nacht singt ihre Lieder“ zu formulieren. Aber auch die Journalisten sind auf Hundertachtzig: „Sie sollten einfach annehmen, dass Sie einen schlechten Film gedreht haben!“ ruft jemand im Saal. „Ich nehme das doch an!“, entgegnet Karmakar. – „Dann lassen Sie die Fragen zu.“

Unbeliebt macht sich der Regisseur gleich zu Anfang . So fährt er den Moderator an, der ihn als Regisseur, nicht aber als Produzent des Films vorstellt: „Wir sind gut vorbereitet. Sie müssen es auch sein.“ Kennt man die Produktionsgeschichte des Films, für den Karmakar drei Jahre gekämpft hat, versteht man den Unmut. Zumal der Moderator, vielleicht in Freud’scher Fehlleistung, den Film zuvor als „Die lange Nacht singt ihre Lieder“ angekündigt hatte. Doch das Kriegsbeil zwischen Publikum und Regisseur wird nicht mehr begraben.

Da hilft es auch nichts, dass der extra eingeflogene norwegische Theaterautor Jon Fosse, dessen Stück die Vorlage für den Film lieferte, zu vermitteln versucht: Selbst bei der besten Aufführung seines Stücks in Paris seien die Leute in Scharen gegangen: „Das sagt noch nichts über die Qualität des Stückes aus.“ Und: „Alle genuine Komik ist unfreiwillig. Sonst ist es nur lustig. Im Theater jedoch kann die gleiche Situation an einem Abend komisch und am anderen unendlich traurig sein. Das ist ja eben die Tragödie.“

Doch für die Vermittlung ist es zu spät: Eine Diskussion kommt nicht mehr in Gang. Karmakar stößt die Journalisten vor den Kopf – und das mit jeder Antwort. „Zweihundert Jahre nach Kant sind wir immer noch nicht mit den Grundwerten der Aufklärung im Reinen. Viele geben beim Lösen einer Kinokarte das eigene Ich an der Kasse ab und erwarten neunzig Minuten Bevormundung. Ich aber verlange mündige Zuschauer und mündige Journalisten.“ Moment mal, hatte Kant nicht auch etwas vom ewigen Frieden geschrieben?

Christina Tilmann

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