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Señor Kaplan (Héctor Noguera) und Wilson Contreras (Néstor Guzzini).

© Neue Visionen

Tragikomödie "Señor Kaplan": Ein Senior auf Nazi-Jagd

Zwei Möchtegern-Helden auf wichtiger Mission: Die Tragikomödie „Señor Kaplan - Ein Rentner räumt auf“ ist nachdenklicher, als der klamaukige Titel vermuten lässt.

Jacob Kaplan führt ein ereignisloses Leben im sonnigen Montevideo. Einst war er vor den Nationalsozialisten aus Polen geflohen, seine Eltern blieben zurück. Mit 76 Jahren verbringt der Familienvater seinen wohlverdient ruhigen Lebensabend. Aber Kaplan steckt in der Sinnkrise: Schon bei der Bar-Mizwa wurde er aufgefordert, etwas Bedeutendes zu vollbringen. Doch was hat er getan? Die Welt verbessert? Fehlanzeige.

Als er wegen seiner Sehschwäche auch noch seinen Führerschein verliert, plädiert die Familie für einen Fahrer für Papa: Wilson Contreras (Néstor Guzzini), ein chaotischer Taugenichts. Der Senior ist nicht begeistert. Doch plötzlich bekommt er seine Chance aufs Heldentum: Ein Alt-Nazi soll sich – getarnt als Barbesitzer – in Uruguay verstecken. Señor Kaplan entschließt sich für ein ähnliches Vorgehen wie bei der Verhaftung Adolf Eichmanns: Er will den Verbrecher entführen und zur Verurteilung nach Israel bringen. Gemeinsam mit Wilson entwickelt er deshalb einen ausgeklügelten Plan, um „den Deutschen“ (Rolf Becker) dingfest zu machen.

Der uruguayische Regisseur Álvaro Brechner inszeniert die Mission des ungewöhnlichen Duos in gleißend hellem Sonnenlicht. Dabei setzt er auf groteske und genüsslich-lang gezogene Sequenzen in idyllischer Strandszenerie. Seelenruhig zeigt er etwa, wie Kaplan (herrlich stoisch: Héctor Noguera) bei einer Beschattung am Strand einschläft und sich langsam die Nase verbrennt. Aber erst die ernsten Töne verleihen der Tragikomödie ihren Charme. Denn die beiden Nazi-Jäger merken bald, wie eng ihr Plan mit der Furcht vor der eigenen Belanglosigkeit verbunden ist. Eine menschliche, von Brechner umsichtig und eindringlich beleuchtete Angst. Liebevoll schaut er auf seine Möchtegern-Helden, den alternde Kaplan, der mit seiner Eigenständigkeit auch seine Würde in Gefahr sieht und den glücklosen Wilson, der nachts mit roten Augen am Spielautomaten steht.

Mit seinem skurrilen Witz, den nachdenklichen Nuancen und dem geschickt eingewobenen Thema Vergangenheitsbewältigung ist „Señor Kaplan – Ein Rentner räumt auf“ mehr als die leichtfüßige schwarze Komödie, die der deutsche Titel suggeriert. In Uruguay war sie nicht umsonst einer der erfolgreichsten Filme des letzten Jahres.

In sieben Berliner Kinos.

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