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BitTorrent ist eines der umstrittenen Programme, mit denen legal, aber auch illegal Inhalte aus dem Netz heruntergeladen werden können.

© dpa

Urheberrechtsdebatte (1): Mehr Schutz!

Die Nulltarifmentalität schadet den Autoren. Eine Streitschrift für den Schutz der wirtschaftlichen Grundlage von Autoren.

Zwei Autoren erläutern ihre Position zur aktuellen Urheberrechtsdebatte. Lesen Sie hier die Gegenposition von Christoph Schneider.

Nachdem die Debatte allzu lange von Verbandsvertretern dominiert war, ist die Diskussion über das Urheberrecht endlich da angekommen, wo sie hingehört – bei den Urhebern. Der furiose Aufschrei von Sven Regener hat vielen die Augen geöffnet und deutlich gemacht, dass die Nulltarifmentalität vieler Internetnutzer nicht irgendwelchen Konzernen schadet, sondern der Kreativität der Urheber die wirtschaftliche Basis entzieht.

Zum Beispiel in der Literatur. Schriftsteller arbeiten manchmal jahrelang an einem neuen Buch, treiben Archivstudien, machen kostspielige Recherchereisen und verwerfen mehrere Textfassungen, bis das Ergebnis ihrer Mühen zwischen zwei Buchdeckel passt und zu kaufen ist. Stipendien und Literaturpreise können helfen, den Schaffensprozess zu finanzieren. Entscheidend aber sind die Honorare, die für die verschiedenen Nutzungen des Werks bezahlt werden, vom Verkauf des Buches bis hin zu seiner Verfilmung.

Das geistige Eigentum ist auch heute nicht so umfassend geschützt wie das materielle Eigentum. 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers wird es gemeinfrei. Dass es überhaupt geschützt ist, ist eine Errungenschaft der bürgerlichen Revolution. Heute gibt es ein gesetzlich geschütztes und unveräußerliches Urheberrecht, Verwertungsgesellschaften, den Anspruch auf angemessene Vergütung urheberrechtlicher Leistungen und anderes mehr. Viele dieser Regelungen sind noch gar nicht so alt. Sie sind oft in harten Auseinandersetzungen erkämpft worden und sollen die Voraussetzung dafür schaffen, dass die Kreativen von den Erträgen ihrer Arbeit leben können. Dass das in der Praxis bei Weitem nicht jedem gelingt, ist ein anderes Thema. Immerhin sind Kreative heute freie Menschen, die sich nicht mehr bei Hofe verdingen müssen. Sie müssen sich auch nicht selbst um die Vermarktung ihrer Werke kümmern, es gibt eine vielfältige Verlagslandschaft, in der hochqualifizierte Arbeit geleistet wird.

Umso unverständlicher ist es, dass es neuerdings Leute gibt, die im Namen des Fortschritts diese Errungenschaften der Aufklärung mutwillig oder aus Unverstand zur Disposition stellen wollen. Wer Sympathie für die Piratenpartei empfindet, sollte einmal das Programm dieser Schwarmgeister zur Hand nehmen. Da ist vom „sogenannten ,geistigen Eigentum’ die Rede“. Kopierschutz wird als unmoralisch angesehen, das kostenlose Kopieren soll explizit gefördert werden. Die „Rückführung von Werken in den öffentlichen Raum“ sei nicht nur berechtigt, „sondern im Sinne der Nachhaltigkeit der menschlichen Schöpfungsfähigkeiten von essentieller Wichtigkeit“. Schöner ist der Vorgang des Plünderns selten beschrieben worden. Für diejenigen, die um die Früchte ihrer Arbeit gebracht werden, wird er dadurch nicht weniger unerfreulich.

Nicht das Urheberrecht muss reformiert werden, sondern das Bildungswesen.

Die modernen Wegelagerer sehen im Urheberrecht vor allem ein Hindernis auf dem Weg ins Paradies des unbegrenzten Wissens. In Wahrheit hatten noch nie so viele Menschen einen so guten Zugang zu so viel Wissen, Bildung und Unterhaltung wie heute. Dass es nicht noch mehr sind, hängt nicht mit dem Urheberrecht zusammen. Die Gründe sind vielmehr mangelnde Bildungschancen, daraus resultierender Analphabetismus, Armut, totalitäre Regime, ideologisch bedingte Abwehrhaltungen (etwa bei religiösen Fundamentalisten) und anderes mehr.

Wenn gesagt wird, es sei im Zeitalter des Internet schwieriger geworden, „fremde Urheberrechte zu beachten“, so mag das richtig sein. Auch andere Dinge sind schwierig, zum Beispiel die Durchsetzung des Prinzips „Gleicher Lohn für gleiche Arbeit“. Sollen wir uns deshalb davon verabschieden? Wer auch in Zukunft noch Romane junger Autoren lesen möchte, sollte sich darum sorgen, dass ihnen nicht die materielle Basis für den Schaffensprozess verloren geht. Wenn uns das nicht gelingt, dann wird das Angebot im ach so kostenlosen Internet eines Tages ziemlich öde aussehen.

Ernst Piper ist geschäftsführender Gesellschafter der Literarischen Agentur Piper & Poppenhusen, Privatdozent für Neuere Geschichte an der Uni Potsdam und Autor. Zuletzt erschien „Nationalsozialismus. Seine Geschichte von 1919 bis heute“.

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