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Kultur: Von Dahlem-Dorf nach Mitte Die Raubkunstfrage und das Humboldt-Forum

Museumsinsel, Museum Berggruen, Neue Nationalgalerie: Bald ein Vierteljahrhundert nach der Vereinigung sitzt die Stiftung Preußischer Kulturbesitz auf Baustellen und Bauplänen, künftigen wie aktuellen. Die größte Grube gehört zum Humboldt-Forum.

Museumsinsel, Museum Berggruen, Neue Nationalgalerie: Bald ein Vierteljahrhundert nach der Vereinigung sitzt die Stiftung Preußischer Kulturbesitz auf Baustellen und Bauplänen, künftigen wie aktuellen. Die größte Grube gehört zum Humboldt-Forum. Hinter den Fassaden des alten Stadtschlosses soll hier ein – jedenfalls für Berlin – neuer Museumstyp entstehen. So überflüssig der Schlossbau ist, so dringend braucht die deutsche Hauptstadt eine zeitgemäße Präsentation für Kunst- und Kultobjekte aus Afrika, Lateinamerika und Ozeanien.

Die Berliner Sammlungen müssen qualitativ und quantitativ hinter London und Paris nicht zurückstehen. Jahrzehntelang aber war es so. Sie kamen nicht wirklich zur Geltung. Es ging kaum anders in West-Berlin, während der Teilung. Dahlem war ein Provisorium, wenn auch nicht ohne Sinn und Charme, in der Nachbarschaft der Freien Universität. Heute liegt es abseits der Besucherwege.

Die Dahlemer Schätze werden vermutlich ab 2019 im Humboldt-Forum gezeigt – auf Augenhöhe mit den griechischen, römischen, mesopotamischen, ägyptischen, islamischen Artefakten der Museumsinsel. Und nahe dem Bode-Museum, in dem Kultgegenstände der christlich-europäischen Welt ihre museale Heimat haben. Es ist widersinnig: Endlich schafft die Preußenstiftung den Schritt ins neue Jahrhundert, kommt ein Ende des Dahlemer Dahindämmerns in Sicht, da regt sich Protest. Unter dem Slogan „No Humboldt!“ greifen Aktionsgruppen die Pläne für das Humboldt-Forum an. Dort werde Raubkunst gezeigt und koloniales Unrecht des Kaiserreichs perpetuiert.

Doch das Gegenteil ist der Fall. Der Umzug afrikanischer Werke nach Mitte ist ein überfälliger Akt. In Dahlem liegen große Teile dieser Sammlungen im Depot, unsichtbar für das Publikum. Natürlich war ihre Existenz bekannt. Und viele Stücke warteten in den verschachtelten Ausstellungshallen des Ethnologischen Museums auf Publikum. Niemand regte sich darüber auf.

Selbstverständlich muss, wenn kriminelle Akte vorliegen, geraubte Kunst zurückgegeben werden. Aber Rückgabeforderungen sind hier eher unwahrscheinlich. Die heutigen afrikanischen Staaten existierten damals noch nicht. Kurz und brutal war die deutsche Kolonialgeschichte. Dieses Unrecht anzuerkennen tut sich die Bundesrepublik schwer. Eben das soll im Humboldt-Forum ein Thema sein: die Geschichte der Menschen, die unter der Kolonialherrschaft gelitten haben. Die Preußenstiftung hat die Provenienz zu prüfen, das wird von den Staatlichen Museen nicht bestritten. Keine Frage auch: Die Archäologen haben etliche Artefakte aus vergänglichen Materialien gerettet.

Im Humboldt-Forum – leider hinter restaurativer Fassade – geht es um Anerkennung. Um die Würde der Objekte, die mit dem Herkunftsbegriff „außereuropäische Kulturen“ kaum zu beschreiben sind. Sie bekommen einen herausgehobenen Platz. Und endlich verschwindet der diskriminierende Name „Ethnologisches Museum“. Rüdiger Schaper

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