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Kultur: Walzer, Wein und Weckerrasseln

Jürgen Flimm inszeniert Satie an der Staatsoper

Es ist ein rares Ding, dass ein Staatsopern- Intendant auf der Werkstattbühne seines Hauses inszeniert und das Ganze ausdrücklich als Witz verstanden wissen will. Mit Sofas, Fauteuils und Stühlchen, die sich um einen Billardtisch scharen, hat Jürgen Flimm einen Salon einrichten lassen. Familiär ist die Begrüßung, auch Daniel Barenboim will am liebsten weiterparlieren, als der Abend mit dem Titel „Wissen Sie, wie man Töne reinigt? Satiesfactionen“ unter Xylophonklängen anhebt. Erik Satie, der Musik als Ameublement, als Ausstattung, begriff, hätte es sicher gefallen, wenn die Konversation nicht zugunsten der Kunstdarbietung abgerissen wäre. Seine lyrische Komödie „Die Falle des Qualle“, eine Grille des genialen Spötters wider den tierischen Ernst in der Musik, bildet den Fond des 75-Minüters, unterlegt „mit Tanzmusik desselben Herrn“.

Drei Schauspieler, die Flimm noch aus seiner Zeit als Chef des Thalia Theaters kennt, haben sich auf die Posse eingelassen: Stefan Kurt, Jan Josef Liefers und Klaus Schreiber rotieren ergeben um den Billardtisch, zu den Instrumenten und zurück, während sie in die Rollen des Phonometrographen Baron Qualle, seines gewerkschaftlich organisierten Dieners Polycarpe sowie die von Qualles trotteliger Tochter Frisette und ihres ahnungslosen Bräutigams Astolfo schlüpfen. Zwischen diesen derangierten Figuren flackern höchstens Übersprungshandlungen auf, so wie auf ein Weckerrasseln hin immer wieder die „Vexations“ intoniert werden müssen, jene musikalischen Schikanen, die Satie zur 840-maligen Wiederholung bestimmt hatte. Und dazwischen tanzt ein Affe durch den Salon, nachdem der Klavierspieler gerade noch so seinen Platz erreichen konnte.

Es gibt einen Punkt, an dem Leichtsinn zu höheren Weihen gelangt und der Slapstick eine philosophische Dimension annimmt. Wo durch die massive Einwirkung von Nonsense die Verbindungen an den Synapsen derartig gelockert werden, dass neue Sinnzusammenhänge entstehen. Filmms Salon ist dafür nicht der richtige Ort, hier bleibt alles Spleen mit Requisite und wirkt in der angestrengten Vermeidung von Tiefgang so betagt wie die Militärparodien eines Jacques Offenbach. Blödeln ohne Abgrund ist wie Stochern in falschen Bärten. Die daraus resultierende Mühsal merkt man besonders Jan Josef Liefers an, bei dem nicht nur die Maske grau wirkt. Eine Portion des Zynismus, den er mit seinem „Tatort“-Professor kultiviert, hätte gut getan. Nach den Ausläufern einer Walzerepidemie werden Omelettes und Wein serviert. Saties Ohrwurm „Je te veux“ weht ein letztes Mal über die Fauteuils. Wie man diese von Liebe schäumenden Töne reinigt? „Das ist eine ziemlich schmutzige Angelegenheit. Das Spinnen der Töne ist sauberer.“ Ulrich Amling

Wieder am 29./30./31. März und 1./5./ 6./7./9. und 10. April, 20 Uhr

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