zum Hauptinhalt

Kultur: Wenn der Sammler zweimal rechnet

Die Preview im Hangar des Flughafens Tempelhof setzt auf junge Kunst aus 19 Ländern

Die Kunstmesse „Preview“ läuft eigentlich das ganze Jahr. Die Veranstalter von Berlins wichtigster Satellitenmesse für junge Kunst, die zum sechsten Mal parallel zum Art Forum stattfindet, haben weit vor der Eröffnung regelmäßig zu Preview Dinners geladen. Kurz vor dem offiziellen Start durfte man sogar dabei sein, wenn Galeristen auf der Messe Kojenwände streichen und Kunstwerke hängen.

Diese vertrauensbildenden Maßnahmen zwischen Galeristen, Künstlern und Käufern sind ein erster Schritt hin zu einem „radikal neuen“ Messekonzept, das die Preview-Macher Kristian Jarmuschek, Rüdiger Lange und Ralf Schmitt für 2011 angekündigt haben. Die Preview soll zu einer nachhaltigen, Kosten und Ressourcen sparenden Veranstaltung werden. Aber warum überhaupt ein neues Konzept? Hat sich die „Preview“ nicht als Erfolgsmodell erwiesen?

Zumindest sieht sie erfolgreich aus. Rund 60 Galerien nehmen in diesem Jahr an der Preview teil. Sie kommen aus 19 Ländern, damit überholt die Preview sogar das Art Forum bei der Ländervielfalt. Sie findet im lichten, ehemaligen Hangar 2 des Flughafen Tempelhof statt. Die muffige, eingebaute Empore ist weg. Stattdessen herrscht Platz, die Wände sind frisch gestrichen, die Kojen exakt gleich ausgemessen.

Die konzeptuellen Fotografien in kräftigen Regenbogenfarben von Taisuke Koyama, die von der auf zeitgenössische Fotokunst spezialisierte G/P gallery aus Tokio präsentiert, kommen im Hangar perfekt zur Geltung. Es sind Prints von Architekturdetails, die Wind und Wetter ausgesetzt waren. Der Künstler hat sie mit einer Mikrolinse nochmals abfotografiert, akribisch bearbeitet. Sie für 1500 bis 3000 Euro zu haben (Edition: 1/5). Die Galerie Widmer + Theodoridis ist zum ersten Mal aus Zürich nach Berlin gereist und ebenfalls angetan vom Ambiente im alten Flughafen. Im Gepäck Künstlers und Wahlberliners Antonio Santin mitgebracht (6000-8000 Euro), außerdem sehr anmutige, sehr filigrane und sehr pornografische Scherenschnitte von Stefan Thiel (2000-15 000 Euro für eine 10-teilige Serie). Lustvolle, erotisch aufgeladene Zeichnungen im Comicstil gibt es auch bei der Galerie Mixed Greens aus New York. Hier ist eine Einzelpräsentation des Künstlers Mark Mulroney zu sehen. Überhaupt sind einige schöne Einzelpräsentationen zu finden.

Es gibt viel zu entdecken auf der Preview. Die Wilde Gallery aus Berlin präsentiert kunstvoll besprayte und mit Schablonen bearbeitete Pappen des Streetart-Künstlers EVOL (6000-10 000 Euro). Charly Smith London zeigt Vertreter der New London School, die sich in ihrer klassischen Malerei mit Grundfragen des menschlichen Lebens beschäftigen (bis 12 000 Euro). Kluge Kunst zeigt die Galerie Heike Strelow aus Frankfurt am Main, die unter anderem die Städelschul-Absolventen Özlem Günyol & Mustafa Kunt mit ihren „State Paintings“ präsentiert, vergrößerten Ausdrucke von Mustern in Pässen (je 1000 Euro).

Die wenig etablierte Kunst scheint jedoch auch das Problem der Preview. „Bei junger Kunst überlegen die Sammler zweimal, ob sie kaufen, selbst bei vergleichsweise geringen Beträgen“, sagt Ilka Bree von der gleichnamigen Galerie aus Bordeaux. Wer sich für die auf ihrem Stand installierte Pappskulptur von Caroline Molusson interessiert (4000 Euro) muss seinem eigenen Urteil vertrauen. Das ist das Dilemma unerprobter Kunst, auf die sich die Preview spezialisiert hat. Nur wenn das Publikum den Wert eines Kunstwerks sicher erkennt, wird es kaufen. Das allerdings tut es eher zögernd.

„Auseinandersetzung statt Inszenierung“, fordern deshalb die Messegründer. Das neue Konzept soll es richten, sie haben es zusammen mit TU-Studenten ausgetüftelt. Nur so viel erfährt man: Möglichst viel Kommunikation soll es geben, und kein Galerist soll für viel Geld eine Messearchitektur ausgeben müssen, die kurz darauf entsorgt wird.

Dass die Kosten und Mühen einer Messe für junge Galerien und vor allem auch für Projekträume ein k.o.-Kriterium sein können, zeigt die Preview ebenfalls. Die lebendige Projektraum- und Off- Szene Berlins sucht man auf der Messe vergebens. Wie sollen sich die unterfinanzierten Off-Orte auch die Standmiete von 6500 Euro leisten?

Auch für junge Galerien aus Osteuropa ist das leicht. Immerhin sind sieben Galerien aus Ost- und Mitteleuropa nach Berlin gekommen, unter anderem Alkatraz Gallery aus Ljubljana oder Maksla XO aus Riga mit einer schönen Einzelpräsentation von Kristaps Gelzis, was im Vergleich zum mageren Osteuropa-Anteil beim Art Forum sofort auffällt. Um ihre Chance zu nutzen, setzen die osteuropäischen Galerien verstärkt auf Positionen, die im eigenen Land oder gar international bereits einen Namen besitzen, wie die Galerija Marisall mit dem jungen Maler Zlatan Vehabovic, der die Besteigung des Mount Everest in einem figurativen Gemälde eigenwillig und hintergründig als Freundschafts-Drama interpretiert (20 000 Euro). Auch das ist eine Entdeckung.

Preview Berlin, Flughafen Berlin Tempelhof, Hangar 2, Columbiadamm 10; bis 10. 10., tgl. 13-10 Uhr, Ticket: 10 Euro. www.previewberlin.de

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false