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Kultur: Wer zu viel fühlt, verliert

Eine boxt sich durch: „La Yuma“ – der erste Film aus Nicaragua seit 20 Jahren

Von Maris Hubschmid

In Yumas Welt scheint die Sonne. Sie taucht das Land in warme Orangetöne. Sie brennt auf der Haut, in ihrer Hitze verteilt sich der Staub der Straßen in der Luft und erschwert das Atmen. Schonungslos wirft sie ihr Licht auch auf Kriminalität und Armut Managuas.

In dieser Welt weiß Yuma (eine Entdeckung: die 18-jährige Alma Blanco), ältestes von vier Geschwistern, sich nicht anders zu behaupten als mit den Fäusten. Den ehemaligen Box-Champion Polvorita (Guillermo Martinez) überzeugt sie bald von ihrem Talent, er verhilft ihr zu einem Trainingsplatz in einem Box-Center. Sandsack und Gegnern im Ring begegnet Yuma mit derselben Entschlossenheit, mit der sie sich von Tag zu Tag mehr von ihrem Umfeld loszusagen traut: von ihrem Freund, dem Anführer einer Jugendgang; vom arbeitsunwilligen Stiefvater, der Yuma und ihren Geschwistern täglich unangenehmer näher kommt; und von der lieblosen Mutter, der immerhin sie das Vertrauen noch eben rechtzeitig entzieht.

Starrköpfig begegnet die hübsche Yuma ihren Mitmenschen – schroff auch zu denen, die es gut mir ihr meinen. „Du verteidigst dich nicht nur mit deinen Fäusten, richtig?“, fragt der angehende Journalist Ernesto sie beim ersten Date. „Ich will nicht verhätschelt werden“, wird Yuma später in einem schwachen Moment bekennen – „nicht zu viele Gefühle.“ Die zarte Saite, die der von ihrem Bruder ausgeraubte junge Mann in ihr zum Klingen bringt, verstummt allzu bald. Ernesto, von den Bandenmitgliedern in die Irre geführt, bezichtigt Yuma, ihn getäuscht zu haben. Zu groß sind die Unterschiede, in die die beiden hineingeboren sind.

Florence Jaugey gelingt in ihrem Debüt das eindrucksvolle Porträt einer jungen Frau, die sich nicht in ihr Schicksal fügt. Die verwackelten Bilder der Handkamera lassen den Blick der Heldin umso unbeugsamer erscheinen, Forschheit und Kampfbereitschaft sprechen auch aus der bedrohlich dynamischen, allzeit präsenten Filmmusik.

Zwanzig Jahre hat es gedauert, bis das vom Bürgerkrieg gezeichnete Nicaragua wieder einen Spielfilm hervorgebracht hat. „La Yuma“ setzt ein Signal in einem Land ohne Filmindustrie – und das ganz ohne jenen Heroismus, mit dem Clint Eastwoods „Million Dollar Baby“ oder dessen brandenburgische Variante „Die Boxerin“ punkten. Yuma kämpft nur für sich und ihre Geschwister. Wenn jemand an der Daseinsberechtigung einer Frau im Boxsport zweifelt, kränkt sie das, jedoch nur, weil es ihre einzige Lebensperspektive infrage stellt. Das Gegenteil will sie nur sich selbst beweisen, nicht der Welt. Nur wohin ihre eigene Reise führt, die sie von dem unglückseligen Ort entfernt, der ihr Zuhause war: Das bleibt ungewiss.

fsk am Oranienplatz, Lichtblick, Tilsiter Lichtspiele (alle OmU)

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