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Wiedereröffnung des Hessischen Landesmuseums Darmstadt: Ein Haus für die Welt

Sieben Jahre war es geschlossen. Jetzt ist das Hessische Landesmuseum Darmstadt wiedereröffnet worden - es ist eines der schönsten Museen Deutschlands.

Darmstadt ist als Museumsstadt zuletzt allein mit der Mathildenhöhe wahrgenommen worden, dieser zauberhaften Jugendstilkolonie auf dem Hügel. Das Hessische Landesmuseum hingegen, jener mächtige Bau in der Stadtmitte, war sieben Jahre wegen Renovierung geschlossen und schon zuvor zu verbaut, zu unübersichtlich, nicht mehr zeitgemäß. Da auch die Attraktion der Stadt in Sachen zeitgenössischer Kunst, die Sammlung Ströher, von den Erben des verstorbenen Sammlers nach Frankfurt/M. verkauft wurde, geriet das Landesmuseum erst recht aus dem Blick.

Nun jedoch hat die Verjüngungskur – reine Bauzeit: fünf Jahre – ein Juwel des Museumsbaus wiedererstehen lassen. Das Alte ist mit einem Mal das ganz Neue. Das 1906 eingeweihte Museum von Alfred Messel (1853–1909) repräsentierte seinerzeit den Stand der Museumskunde und ist jetzt, nach der 80 Millionen Euro teuren Grundsanierung, wieder etwas ganz und gar Zeitgenössisches. Denn es handelt sich nicht um eins der üblichen Kunstmuseen, auch wenn die Gemäldeabteilung eine große Rolle spielt, sondern um ein Universalmuseum. Einst war es dazu bestimmt, die ganze Fülle sammelbarer Objekte aus Natur und Kultur herzuzeigen – und somit die Gesamtheit menschlicher Forschungsgebiete, soweit sie sich auf physische Objekte erstrecken.

Was für eine Aufgabe! 13 Abteilungen besitzt das Haus, von Archäologie bis Zoologie. Sie in eine sinnvolle Ordnung zu bringen, muss eine enorme Aufgabe gewesen sein. Denn der Bau ist keine bloße Hülle, die irgendwie gefüllt werden könnte. Er handelt sich vielmehr um ein ausgeklügeltes Ensemble verschiedener Gebäudeteile, die die jeweiligen Sammlungen hervorheben und so überhaupt erst Unterscheidungen möglich machen. Dass das Museum über eine Million Objekte verfügt und keinen Vergleich mit den ganz großen Universalmuseen in London, Paris oder Berlin scheuen muss, lässt die Schwierigkeit von Auswahl und Reduktion ermessen.

Ja, Berlin! Mit der Reichshauptstadt ist das Darmstädter Haus durch seinen Architekten verbunden, den genialen Alfred Messel. Mit dem Museumsbau erhielt er seinen ersten großen öffentlichen Auftrag – und wurde zur Leitfigur der architektonischen Erneuerung im Wilhelminismus. 1907 machte ihn der Kaiser, gewiss auf Rat seines Museums-„Generals“ Wilhelm von Bode, zum Generalplaner der Museumsinsel, der er jedoch nur den machtvollen Entwurf für das Pergamonmuseum hinterlassen konnte, bevor er früh starb.

Das Berliner Bode-Museum ist der Vorläufer

Die Grundzüge des Messel’schen Entwurfs in Darmstadt sind nun so klar erkennbar wie seit der Kriegszerstörung von 1944 nicht mehr. Messel war ein Verfechter der period rooms, von Erlebnisräumen, die den Objekten einen stilistischen und atmosphärischen Rahmen geben. Das Prinzip wurde populär; Bode hatte es mit dem Architekten Eberhard von Ihne bei dem heute nach ihm benannten Berliner Skulpturenmuseum vorgemacht. In Darmstadt waren nicht nur Gemälde und Skulpturen, sondern zugleich ein römisches Mosaik aus Bad Vilbel oder mittelalterliche Grabplatten hessischer Kirchen unterzubringen, von den naturkundlichen Abteilungen zu schweigen! Messel, der dem Neoklassizismus verpflichtet war und in der großen, die vier Flügel des Hauses zusammenbindenden Eingangshalle auf Palladios Kirchenbauten zurückgreift, entwarf die entsprechenden Räume.

Einmalig sind die Dioramen mit hunderten präparierten Tieren. Ein Glanzstück: das Skelett des nordamerikanischen Mastodons, das sich im Obergeschoss ducken muss. Und natürlich die Versteinerungen aus der Grube Messel (sic!), an denen sich die Tierwelt durch Jahrmillionen verfolgen lässt. Die Neueinrichtung nimmt den Sensationscharakter solcher Schaustellung nicht zurück, balanciert ihn aber durch wissenschaftlich fundierte Wandtexte aus. Das hier ist kein Disneyland, sondern ein Haus, das Naturkunde für jedermann verständlich macht.

Leider hat sich das Land Hessen entschlossen, den Anbau von 1984 doch nicht zugunsten eines auf Messels Haus abgestimmten Neubaus zu ersetzen. Die Kosten waren enorm gestiegen, von geschätzten 50 auf 80 Millionen Euro. Nahezu die gesamte Wiederaufbauleistung der 50er Jahre erwies sich als marode, und da Messels delikate Architekturdetails wieder zum Vorschein kommen sollten, stellte sich der Einbau der heute erforderlichen Haustechnik als besondere Hürde dar. Brandschutz! Allein 680 Rauchmelder gibt es, vier Kilometer Lüftungskanäle – da können Flughafenplaner lernen.

Der Anbau im eckigen Betondesign nimmt die bemerkenswerte Kunstsammlung auf. Bis auf die Nachkriegskunst und den „Block Beuys“: Die umfangreiche Installation, die die Ströher-Erben in Darmstadt beließen, füllt mit ihren 290 Einzelobjekten sieben Säle im Altbau. So wie Beuys seine Materialien untersuchte, Filz, Fett oder Kupfer, so sind auch die Sanierer unter Leitung des Hamburger Büros Kleffel Papay Warncke Architekten mit Stein und Mauerwerk umgegangen. Und mit dem Kupfer, der nun wieder, die schön geschwungenen Dächer deckt. 70 Jahre nach seiner Zerstörung ist eines der schönsten Museen Deutschlands wieder zu besichtigen, kein Déjà-vu, sondern eine Entdeckung.

Di–Fr 10–18 Uhr (Mi bis 20 Uhr), Sa/So 11–17 Uhr. Infos: www.hlmd.de

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