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Kultur: Wir sind in der Konsolidierungsphase Die Beisetzung des Schriftstellers Peter Hacks in Berlin

Dafür, dass Peter Hacks sich für einen boykottierten Dramatiker, gar einen mit Erwähnungsverbot belegten Schriftsteller hielt, sind recht viele Kollegen und Bewunderer zu seiner Trauerfeier gekommen. An beiden Aufgängen zum Französischen Dom auf dem Berliner Gendarmenmarkt liegen Kondolenzbücher aus, vor dem Eingang ist ein großes Hacks-Porträt aufgestellt.

Dafür, dass Peter Hacks sich für einen boykottierten Dramatiker, gar einen mit Erwähnungsverbot belegten Schriftsteller hielt, sind recht viele Kollegen und Bewunderer zu seiner Trauerfeier gekommen. An beiden Aufgängen zum Französischen Dom auf dem Berliner Gendarmenmarkt liegen Kondolenzbücher aus, vor dem Eingang ist ein großes Hacks-Porträt aufgestellt. Und wer sich da alles die Klinke in die Hand gibt: die Schriftsteller Volker Braun, Christoph Hein, Hermann Kant und Helmut Baierl, die Lyrikerin Gisela Steineckert, der Publizist Friedrich Dieckmann, der Literaturwissenschaftler Werner Mittenzwei und sogar der ehemalige DDR-Kulturminister Klaus Höpke.

Wer gestern gegen Mittag über den Gendarmenmarkt schlenderte, konnte unter den etwa 200 Trauergästen sogar etwas sehen, was man schon seit einem guten Jahrzehnt nicht mehr zu sehen bekam oder allenfalls in einer der unsäglichen Ostalgie-Shows erwartet hätte: ein echtes FDJ-Hemd. Die gibt es noch? Ja doch, sagt der junge Hemdträger, wir sind gerade in der Konsolidierungsphase.

In einer Konsolidierungsphase wähnt sich auch die kommunistische Weltbewegung. Zumindest sind die Worte, die auf der Trauerfeier gesprochen werden, weniger auf Abschied als auf Erwartung gestimmt. Am Ende wird Walter Beltz, Theologe, Religionswissenschaftler und Hacks langjähriger Freund, der Trauerversammlung die Erinnerung an dessen erfolgreichstes Stück nahe legen. Das „Gespräch im Hause Stein über den abwesenden Herrn von Goethe“ formuliere eben auch die Aufgabe, „in Erwartung des Zukünftigen die Gegenwart zu gestalten.“ Irgendwann also werden sie schon kommen, Goethe und der Kommunismus.

Zu Beginn deklamiert der Schauspieler Eberhard Esche zur Erheiterung der Trauergäste einige Hacks-Gedichte („Ich bin der Besten einer, der Dichter unterm Mond, ich weiß, sonst weiß es keiner, wo Deutschlands Muse wohnt.“) Dann liest der Schriftsteller und Filmemacher Wolfgang Kohlhaase Hacks’ dialektisches Märchen vom „Neumond und dem Kürbis“, in dem der Mond sich darüber beschwert, dass der Kürbis nur deshalb leuchte, weil er von ihm sein Licht erhalte. Dann muss er sich seinerseits von der Sonne zurechtweisen lassen. Und die Moral von der Geschichte: „Niemand ist so empfindlich gegen Nachahmungen wie die Nachahmer.“ Als ob Hacks, der sich seit den siebziger Jahren aus der deutschen demokratischen Realität herausgeschrieben hatte, sich vor Nachahmern nicht hätte retten können.

Die Hauptrede hält Matthias Oehme, Leiter der Eulenspiegel Verlagsgruppe, wo im Frühjahr Hacks Werk in 15 Bänden – ein jeder mit den in Gold geprägten Initialen „P.H.“ – erschienen ist. Was bleibt?, so Oehme, sei hier die falsche Frage. Alles würde bleiben. Dann bekommen die unverständigen Zeitgenossen ihr Fett weg. Wie die Liliputaner, die Goethe umgaben, hätten wir den großen Hacks nicht begriffen. Aber es kommt noch besser. Der russische Kulturoffizier, der den Nachkriegs(ost)deutschen ihren Goethe und ihren Schiller eingeprügelt hat, müsste heute einen Namen hinzufügen. Der Tenor, Hacks sei ein Unverstandener, herrschte schon in den Nachrufen, die Oehme, Esche und Beltz kürzlich im „Neuen Deutschland“ veröffentlichten.

Aber wer sollte einen verstehen, der behauptet hat, mit dem Tod Stalins habe der Niedergang begonnen? Einen, der sich auf hochmütige Weise für das Sprachrohr des Weltgeists hielt? Der in seiner Verblendung eine „postrevolutionäre Dramaturgie“ entwarf? Sicher, wer über ein wenig literarisches Gespür verfügt, wird Hacks’ Formbewusstsein, seinen in Marmor gehauenen Sätzen den Respekt nicht versagen können. Aber mehr als ein Klassiker, den Oehme aus ihm macht, bleibt Hacks ein Rätsel. Er war der brillante Essayist, der mit seinen frühen Stücken wie „Die Sorgen und die Macht“ die Diskussion über das Selbstverständnis der neuen Gesellschaft mit angefacht hat. Aber er war auch der Verschwörungstheoretiker, der Kleist und seine romantischen Geschwister im Geiste für Geheimdienstleute hielt. Und diejenigen, die sich ihrer in der DDR annahmen, also die Fühmann, Wolf, Hermlin, für die Totengräber ihres Ländchens. Zu allem Überfluss wird Hacks Werk ausgerechnet im Eulenspiegel Verlag publiziert. Der ist bekanntlich eine Art Zentraldepot für Erinnerungen der alten Heroen von Heinz Florian Oertel über Veronika Fischer bis Frank Schöbel.

Eine Menge Leute sind zur Trauerfeier gekommen. Freunde dürften wenige darunter gewesen sein. Denn wie Oehme freimütig bekennt – und es Hacks als Tugend anrechnet – blieb der Dichter, wenn die Entfernung der Freunde von „der Sache“ zu groß wurde – bei der Sache. Beerdigt wurde Hacks bereits am Vormittag im kleinen Kreis auf dem Hugenottenfriedhof in der Berliner Liesenstraße.

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