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Kultur: Würdigung eines jüdischen John Wayne

Dokfilm über den Nazi- Jäger Simon Wiesenthal

Dokfilm über den Nazi- Jäger Simon Wiesenthal Wenn es „das Böse“ gibt: Er hat die Bösen gejagt, ungefähr 1100 Personen. Was hätte man über diesen „jüdischen John Wayne“ oder „jüdischen Don Quichotte“, wie er gerühmt und verspottet wurde, nicht gern gewusst: Welche Fragen hätte man an seine Biografie richten müssen! Wie geht ein Überlebender von sechs KZ und Vernichtungslagern, der 89 Verwandte verloren hat, mit dem Bedürfnis nach Rache um? Stimmt es, dass auch der Zorn gegen das Unrecht die Stimme heiser macht, wie Brecht behauptet hat? Welche Verletzungen bleiben – von Rettungs-Kooperationen mit Verbrechern? Gibt es zwischen Gut und Böse Grauzonen? Wie einsam lebt man als stellvertretendes Gewissen unerbittlicher Erinnerung, in einer Gesellschaft, die davon nichts mehr wissen will? Mit welchen Eigenschaften qualifiziert man sich zum Jäger der Gerechtigkeit?

Für die Dokumentation „Ich habe euch nicht vergessen – Simon Wiesenthals Leben und Vermächtnis“ spielen diese Fragen kaum eine Rolle. Der Film versammelt Interviews und erschütternde historische Aufnahmen; er gewinnt zwischendurch Spannung, wo es um das Aufspüren prominenter Nazis geht, besonders im Fall Eichmann. Aber Regisseur Richard Trank und Coautor Rabbi Marvin sind als Mitarbeiter des Wiesenthal-Zentrums in L.A. zu nah dran. Welches unglaubliche Leben wird da portraitiert! Doch die Laudatoren trauen der Wucht dieser Vita nicht. Sie ignorieren hinter Skandalen – wenn Wiesenthal von Kanzler Kreisky als NS-Kollaborateur verdächtigt wird, wenn er mit dem angebräunten Kurt Waldheim überraschend gnädig ist – Psycho-Themen einer rastlosen Jäger-Existenz. Verflachen die Dramatik durch Schmuse- und Fanfarensoundtrack. Montieren historische Schnipsel beliebig, wo’s emotional passt. Setzen auf familiären human touch, wodurch der private Wiesenthal eher vernebelt wird.

Als bei der Berlinale-Uraufführung im Kino International Wiesenthal-Fan Ben Kingsley auf der Kino-Bühne so schlecht übersetzt wird, dass aus dem reinen, wahren Propheten Simon „unser aller Profit an diesem Film“ wird, fühlt sich kein Berlinale-Repräsentant bemüßigt, die peinliche Verfälschung sofort zu korrigieren. Doch soviel Betroffenheits-Beliebigkeit hat Franks devote Hommage, die verpasste Chance einer großen Erzählung, nicht verdient. Von diesem Film bleibt Simon Wiesenthal: Wenn er seinen 90. in Hitlers Wiener Lieblingshotel feiert und die Kronleuchter zittern sieht, weil sie solche jiddischen Lieder noch nie gehört haben. Wenn er in einer Talkshow, bei österreichischen Beschimpfungen und Ovationen, mit feuchten Augen darauf besteht: „Ich glaub trotz all dem an das Gute im Menschen. Keiner wird als Verbrecher geboren.“

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