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Der Schriftsteller James L. Burke.

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Zum 80. von James Lee Burke: Stimme für die Versager

Linker Patriot: Zum 80. Geburtstag des Noir-Roman- und Südstaatenkrimi-Schriftstellers James Lee Burke.

Die klassischen Helden des Noir-Roman sind Einzelgänger. Lakonie gehört zu ihrem Habitus, das Schweigen ist eine Waffe. „Ich bin Lieutenant Dave Robicheaux vom New Orleans Police Department“, so wird der Protagonist von inzwischen zwanzig Kriminalromanen im Thriller „Neonregen“ eingeführt. Eine Selbstbeschreibung von der Knappheit einer Visitenkarte. Der Polizist besucht das Staatsgefängnis Angola, um einen zum Tod verurteilten Mörder zu befragen. Denn einer der Morde, das ahnt der Ermittler, hat er nicht begangen. Ähnlich wortkarg kommentiert Robicheaux seinen Kriegsdienst in Vietnam: „Ich hab’s überlebt, das ist alles.“

Am Ende von „Neonregen“, nachdem er sich mit der kolumbianischen „Schmalzlocken“-Mafia angelegt hat, die mit ihrem Kokain gerade dabei ist, den US-Markt zu erobern, nachdem er vier Leute erschossen hat, darunter einen Kronzeugen der Bundesbehörden, nachdem er von den Kollegen der Internen Ermittlung gegrillt worden ist, gibt der Lieutenant seine Polizeimarke ab. Fortan betreibt er einen Laden für Fischköder samt Bootsverleih an einem Bayou irgendwo in Louisiana, vermeintlich eine Beschäftigung so erholsam wie Angeln. Aber natürlich wird Robicheaux immer wieder vom Verbrechen eingeholt, etwa in Form einer Propellermaschine mit Überlebenden des Banden- und Bürgerkriegs von El Salvador, die ins Mississippi-Delta stürzt. „Die Propeller tief in den grauen Sand gebohrt, lag das Flugzeug rücklings am Rand des Meeresgrabens“, heißt es in „Blut in den Bayous“, mit dem der Pendragon-Verlag gerade seine Robicheaux-Werkreihe fortgesetzt hat, über einen Tauchgang des Helden (450 S., 17 €).

„Sturm über New Orleans“ ist eine einzige Wutrede auf das Versagen der Politik

„Robicheaux versucht denen eine Stimme zu geben, die keine haben“, sagt sein Erfinder James Lee Burke. Deshalb sind seine Krimis immer auch politische Romane, in denen sich die Verhältnisse ihrer Entstehungszeit widerspiegeln, die Überschwemmung der US- Städte mit kolumbianischem Kokain in „Neonregen“ oder der von Washington mitfinanzierte Krieg in El Salvador in „Blut in den Bayous“. Durch „Im Schatten der Mangroven“ geistern die Gespenster des Amerikanischen Bürgerkriegs, und die Sümpfe von Louisiana geben die Skelette von Mordopfern aus der Ära der Bürgerechtsbewegung wieder frei. „Sturm über New Orleans“ ist eine einzige Wutrede auf das Versagen der Politik, nachdem Hurrikan Katrina New Orleans verwüstet hatte. Präsident George W. Bush besucht die Stadt zwar, aber nur mit dem Flugzeug, in dem er über die im Meer versunkenen Straßenzüge fliegt.

Burke, der 1936 in Houston geboren wurde und heute in einem Dörfchen in Montana lebt, hatte für seinen dritten Roman „The Lost Get-Back Boogie“ 111 Verlagsabsagen erhalten, bevor er 1985 beschloss, ins Krimigenre zu wechseln. „Die Themen sind die gleichen geblieben“, sagte er. „Die einzige Änderung ist, dass der Ich-Erzähler nun ein Polizeibeamter ist.“ In jeder Kriminalgeschichte steckt für ihn eine Tragödie. Seine Südstaatenthriller atmen den langsameren Rhythmus des alten Dixieterritoriums, in dem die Vergangenheit nicht vergehen will. An diesem Montag feiert James Lee Burke, der gerne einen Cowboyhut trägt und sich als linker Patriot versteht, seinen 80. Geburtstag.

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