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Elegant, bodenständig, witzig: Deborah, Duchess of Devonshire.

© picture alliance / Photoshot

Zum Tod der letzten Mitford-Schwester: Die Herzogin und das liebe Vieh

Eine Ära einer Jahrhundertfamilie geht zu Ende: Mit Deborah, Duchess of Devonshire, ist die letzte der Mitford-Schwestern gestorben.

Sie liebte Geflügel. Keine ordinären Hühner, schon gar keine aus der Legebatterie, sondern echte Rassehühner, die durch ihren Schlosspark stolzierten, und so prächtige Namen wie Rhode Island Reds und Buff Cochins trugen. Meist ging die Duchess of Devonshire in Gummistiefeln zu ihrem preisgekrönten Vieh, aber für Starfotograf Bruce Weber zog sie als alte Dame auch gern ein Vintage-Abendkleid von Balmain zum Hühnerfütttern an. Ihre andere Leidenschaft: Elvis Presley. Der hing bei der Herzogin auf dem Gästeklo.

Die englischen Mitford-Schwestern pflegten ihre Exzentrizitäten. Nancy, die Schriftstellerin, Pam, die Köchin, Diana, die Frau des Faschistenführers Oswald Mosley, Unity, die Freundin Hitlers, Jessica, die Kommunistin mit amerikanischem Pass, und schließlich Deborah, genannt Debo. Die Jüngste heiratete in eines der (auch historisch) ganz großen Herzogtümer ein. Während Jessica in Kalifornien für die Bürgerrechte von Schwarzen auf die Straße ging, zog die passionierte Jägerin nach London, um für die Erhaltung der Fuchsjagd zu demonstrieren. Die beiden hatten sich trotzdem gern.

Deborah Mitford, "Queen of the North"

Anders als ihre Schwestern machte sie nicht mit politischem Extremismus und Skandalen Schlagzeilen, aus der aktiven Politik hielt die Konservative sich heraus. In den Medien sah man sie trotzdem oft: als Vertraute des britischen Königshauses und John F. Kennedys, elegantes Mitglied des Jet Sets und der Bohème, engagierte Vertreterin des Landfrauenverbandes – und clevere Unternehmerin.

Denn sie war es, die Chatsworth, das Schloss der Devonshires im Peak District, binnen 50 Jahren zu einer der größten Touristenattraktionen im ganzen Land machte. Nicht nur dank der unglaublichen Kunstsammlung alter und neuer Meister (im Treppenhaus hängt ein Porträt, das ihr Freund Lucian Freud in seiner bekannt gnadenlosen Art von der Hausherrin malte), die sie schon mal ans Metropolitan Museum auslieh. Lange, bevor das Mode wurde, eröffnete sie, ihr Lieblingsprojekt, einen Farmshop.

In ihrem privaten Schlossflügel empfing die „Queen of the North“ den Schah von Persien und Yehudi Menuhin, auch Prinz Charles zog sich gern aus der Öffentlichkeit nach Chatsworth zurück. Platz genug hat das Schloss: 297 Räume.

Die Duchess kokettierte damit, keine Bücher zu lesen

Zu einer anderen Zeit, unter anderen Umständen geboren, hätte die tüchtige Aristokratin sicher Karriere als Managerin oder Politikerin gemacht. So aber nannte sie sich „housewife“. Eine Schule hat sie nie besucht, ihre Eltern, Lord und Lady Redesdale, hielten nichts von Schulbildung für Mädchen, sie selber auch nicht. Als sie doch mal eine besuchen musste, wurde ihr jeden Morgen so schlecht, dass sie nach ein paar Tagen wieder zu Hause bleiben durfte. Gern kokettierte sie damit, keine Bücher zu lesen – schrieb aber selber welche im Dutzend, mit leichter Hand. Die meisten über Chatsworth, auch ein Kochbuch ist darunter, in dem sie fröhlich bekannte, seit 50 Jahren keinen Kochlöffel mehr angepackt zu haben. Dafür hatte sie ihre Leute.

Zu einer ihrer Textsammlungen lieferte der Schriftsteller Alan Bennett die Einführung, dessen Bestseller „Die souveräne Leserin“ mit den Mitfords beginnt. Als die dreifache Mutter mit 90 ihre Autobiografie veröffentlichte, tourte Deborah, inzwischen Herzogin im Ruhestand, durchs Land und bis nach New York. Das Publikum lag der schlagfertigen, eleganten Dame zu Füßen, sie selber saß immer aufrecht auf den Podien, eine echte Mitford in ihrer Mischung aus Bodenständigkeit und Eleganz, Snobismus und Witz.

Am Mittwoch ist Deborah, Dowager Duchess of Devonshire, die letzte lebende Mitford-Schwester, im Alter von 94 Jahren gestorben. Mit ihr geht ein ganzes Zeitalter zu Ende, die Ära von Evelyn Waugh, der ein enger Freund der Familie war, des englischen Landadels alten Stils – und die Ära einer Jahrhundertfamilie.

Am Montag erscheint Susanne Kippenbergers Biografie über Jessica Mitford und ihre Schwestern, „Das rote Schaf“, bei Hanser Berlin.

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