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Kopenhagen ist als Radlermetropole viel weiter als deutsche Großstädte wie Berlin.

© Mikael Colevill-Andersen

Verkehrswegeplanung: Radfahrer brauchen mehr Platz in deutschen Großstädten

Der Umbau deutscher Großstädte zu fahrradfreundlichen Metropolen kommt nur langsam voran. Trotz Rad-Booms sinken die Investitionen. Ein falsches Signal, wie Länder wie Dänemark oder die Niederlande zeigen.

„Der erste evolutionäre Gewinner des Klimawandels ist das Fahrrad“, schrieb der Zukunftsforscher Matthias Horx vor ein paar Jahren. Nach seiner Überzeugung werde „der Boom des Fahrrades im öffentlichen Raum eine vielfältige Service- und Lifestyle-Kultur rund um die Pedale erzeugen“. Er hat recht gehabt. Fahrradläden schossen aus dem Boden. Verleihe verdienen gutes Geld. Radurlaube sind plötzlich nicht mehr spießig. Mit den Pedelecs erobert ein ganz neues Produkt den boomenden Markt.

In Dänemark gibt es doppelt so viele regelmäßige Radfahrer wie in Deutschland. In den Niederlanden dreimal so viele. Aber immerhin: In den letzten zehn Jahren ist die Zahl deutscher Biker stetig gestiegen. Wie viele Anhänger das Fahrrad mittlerweile hat, belegen eindrucksvoll die letzten beiden Sternfahrten des ADFC in Berlin. An ihnen nahmen in den Jahren 2010 und 2011 über 350.000 Menschen teil.

Diese Bilderstrecke zeigt die Fahrradkultur Kopenhagens:

Die neue Lust am Bike freut auch die Industrie. Fast jeder dritte Deutsche will in den nächsten zwölf Monaten ein neues Fahrrad kaufen und wird dafür durchschnittlich 620 Euro ausgeben. Auch das Pedelec ist ein Erfolgsprodukt. In der Altersgruppe 60 plus könnte jede zweite Neuanschaffung ein Elektro-Fahrrad sein.

Dieser Fahrrad-Boom fand seinen Ausdruck auch in politischen Aktivitäten. Das Verkehrsministerium legte schon vor zehn Jahren einen Nationalen Radverkehrsplan 2002 bis 2012 auf – der gerade auf der Zielgeraden arg angeknabbert wird. Das Budget für Bau und Erhalt von Radwegen an Bundesstraßen sank 2010/2011 von 100 auf 80 Mio. Euro und sollte in diesem Jahr noch einmal um 20 Millionen Euro beschnitten werden. Das war dann doch zu arg und es fanden sich im Verkehrsministerium 7 Mio. Euro, um die Kürzung abzufedern. Der Verkehrsreferent des ADFC, Wilhelm Hörmann, sieht in diesem Abspecken ein völlig falsches Signal. Er verlangt für den Radverkehr dauerhaft 10 Prozent der gesamten Ausgaben im Verkehrsbereich. Das wären etwa 1,5 Milliarden Euro im Jahr. Da ist noch eine Menge Luft nach oben.

Auch in Berlin soll an Investitionen in das Radwegenetz gespart werden: Obwohl sich die Zahl tödlicher Unfälle seit Jahren erstmals wieder erhöht hat, will der Finanzsenator eine Million Euro weniger für Baumaßnahmen ausgeben. Im Entwurf für den Haushalt 2012/2013 wurde die Summe für Ausbau und Sanierung halbiert.

Rund 650 Kilometer Radwege stehen Radlern laut Berliner Senatsverwaltung für Verkehr und Stadtentwicklung mittlerweile zur Verfügung. Zudem wird derzeit eifrig am Ausbau der so genannten Fahrradrouten gearbeitet: Diese verbinden die wichtigsten Orte der Stadt sicher und attraktiv miteinander. Ausgehend vom Schlossplatz im Zentrum werden zwölf Fahrradrouten sternförmig in die Außenbezirke führen. Hinzu kommen sieben Radfernwege wie zum Beispiel der beliebte Radweg Berlin- Usedom. 20 dieser insgesamt 27 Fahrradrouten sind bereits fertiggestellt worden, darunter die 23 Kilometer lange sogenannte Südspange von Dahlem nach Biesdorf und die Hellersdorf-Route von Hoppegarten bis zum Schlossplatz. Der Anteil des Radverkehrs liegt jetzt bei 15 Prozent – täglich sind rund 500.000 Fahrradfahrer in Berlin unterwegs.

Fotos: Fahrradkultur in Berlin

Jetzt steht der neue Nationale Radverkehrsplan 2020 auf der Tagesordnung, für den 25 Experten im Sommer 2011 Empfehlungen formuliert haben. Ihr Papier ist ebenso wortreich wie unkonkret, fordert eine nachhaltige Mobilitätsstrategie, neue Strukturen, klare Ziele für den Ausbau des Radverkehrs und ausreichende personelle und finanzielle Ressourcen. Was es bisher nicht gibt, sind konkrete Maßnahmen, Projekte und Budgets.

Auch Berlin hat einen Stadtentwicklungsplan Verkehr. Hier geht der Umbau zur Fahrradstadt langsam voran. Jedes Jahr wächst das Radwegenetz um 20 km. Bis zum Jahr 2016 sollen weitere 100 km Radwege entlang von Straßen mit hohem Verkehrsaufkommen für mehr Radfahrer-Sicherheit sorgen. Die Wochenzeitung „Die Zeit" ist dennoch wenig zufrieden mit der Situation – weder in Berlin noch anderswo: „In der Verkehrsplanung der Städte spielen Fahrradfahrer in aller Regel keine Rolle. Radwege werden angelegt, wenn zufällig etwas Platz und Geld übrig ist. Viele sind ein Hohn auf alle Vorschriften – was die Planer nicht daran hindert, ihre Benutzung vorzuschreiben.“

Unsere Leser melden Gefahren im Berliner Radverkehr:

Das sehen manche Nutzer doch etwas positiver: Robert Drewnicki ist ein Vielfahrer. Jeden Tag radelt er die zwanzig Kilometer von seiner Wohnung am Olympiastadion zur Arbeit in Berlin-Mitte und zurück. „Das tut mir körperlich gut. Ich kann hin und wieder einen Schokoladenriegel mehr essen. Abgesehen davon nutze ich eine sehr dankbare Strecke. Es sind vielleicht noch 1,5 km nicht fahrradgerecht ausgebaut. Ich bin also fast nur auf Fahrradwegen, in Parks und auf markierten Fahrradstreifen unterwegs.“ Für ihn ist der Fortschritt augenfällig: „Es hat sich vieles verbessert. Das gilt für den Ausbau der Wege, aber auch für die Beschilderung mit Richtungs- und Entfernungsangaben. Ein bisschen problematisch sind allerdings die klassischen Fahrradwege. Da muss man schon einmal einen Riss oder eine vorstehende Platte umkurven.“ Und natürlich hat er Verbesserungsvorschläge: „In Mitte, wo ich arbeite, sind sehr viele Radfahrer unterwegs. Es gibt kaum Abstellmöglichkeiten. Jeder Laternenpfahl ist zugeparkt. Es fehlt einfach massiv an Fahrradständern.“

Die neue Publikumsmesse VELOBerlin zeigt am 24. und 25. März 2012 auf dem Messegelände in Berlin Trends und Innovationen der Fahrradbranche.

http://www.copenhagenize.com/

http://www.copenhagencyclechic.com/

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