zum Hauptinhalt

Analyse: Hessische Verhältnisse in Düsseldorf

Die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen endet im Patt. Der Wahlverlierer CDU liegt ganz knapp vorne, die gefühlte Wahlsiegerin Hannelore Kraft kann nur mit Stimmen der Linken Ministerpräsidentin werden. Der Machtpoker beginnt.

Am Sonntagabend hatte die SPD-Spitzenkandidatin Hannelore Kraft noch gehofft und ihre Anhänger auf der Wahlparty "zum Däumchendrücken" aufgefordert. Doch es hat nicht geholfen. Als der Landeswahlleiter am Montagmorgen gegen 2:30 Uhr das vorläufige amtliche Endergebnis bekannt gab, da war klar, die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen endete mit einem Patt. Fünf Parteien gehören dem nächsten Landtag an und die Regierungsbildung könnte deshalb äußerst schwierig werden, in Düsseldorf drohen nun hessische Verhältnisse.

Die CDU musste zwar Rekordverluste einstecken und erzielte das schlechteste Ergenis bei einer Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen seit der Gründung des Landes 1947. Aber die Partei blieb mit 34,6 Prozent ganz knapp stärkste Partei. Am Ende lagen die Christdemokraten 6200 Stimmen und 0,1 Prozentpunkt vor den Sozialdemokraten, die ebenfalls Verluste einstecken mussten und 34,5 Prozent erreichten. Die SPD schnitt damit so schlecht ab wie zuletzt 1954. Aber weder die Union noch die SPD können nun eine kleine Koalition bilden. Das Regierungsbündnis aus CDU und FDP wurde abgewählt, aber es reicht nun weder für Rot-Grün noch für Schwarz-Grün. Obwohl die Öko-Partei ihr Ergebnis auf 12,1 Prozent fast verdoppeln konnten und das beste Ergebnis ihre Geschichte in Nordrhein-Westfalen erzielte, fehlt für die Regierungsbildung jeweils eine Stimme.

Außer bei einer großen Koalition sind auch im Düsseldorfer Landtag nun also drei Parteien für die Regierungsbildung nötig. Einfach wird die Suche nach einer neuen Mehrheit in Nordrhein-Westfalen nicht, es droht eine lange Hängepartie.

Zusammenarbeit mit der Linken?

Der Wahlausgang in Nordrhein-Westfalen erinnert somit fatal an den Ausgang der hessischen Landtagswahl im Januar 2008. Auch damals sah es am Wahlabend so aus, als könne die SPD stärkste Partei werden und Andrea Ypsilanti Ministerpräsidentin einer großen Koalition. Doch auch in Hessen lag am Ende die CDU knapp vorne, und die gefühlte Wahlsiegerin Andrea Ypsilanti versuchte anschließend, eine rot-grüne und von der Linken tolerierte Minderheitsregierung zu bilden. Sie löste damit heftige bundesweite Debatten aus, sah sich mit dem Vorwurf des Wahlbetruges konfrontiert und scheiterte schließlich an dem Widerstand in den eigenen Reihen.

Auch Hannelore Kraft hat am Wahlabend im Düsseldorfer Landtag schon ihren Anspruch auf das Amt der Ministerpräsidentin formuliert und sah diesen dann wieder schwinden. In einer großen Koalition könnte sie nun nur stellvertretende Ministerpräsidentin werden, sie müsste dem Wahlverlierer CDU an der Spitze der Regierung den Vortritt lassen. In die Staatskanzlei kann sie nur an der Spitze einer Ampel- oder Linkskoalition einziehen.

Anders als ihre Parteifreundin Andrea Ypsilanti hatte Hannelore Kraft eine Zusammenarbeit mit den Linken nicht kategorisch ausgeschlossen, sie hatte im Wahlkampf geschickt jede Festlegung vermieden, nur eine tolerierte Minderheitsregierung ausgeschlossen. Aber trotzdem müsste Kraft wohl mit intensiven öffentlichen und innerparteilichen Debatten rechnen. Nach einer Befragung von Infratest dimap vom Wahlabend stehen zwei Drittel der eigenen Wähler in NRW einem rot-rot-grünen Bündnis skeptisch gegenüber.

Hannelore Kraft müsste der Öffentlichkeit und ihren Wählern also intensiv erklären, warum sie nun mit einer Partei zusammenarbeiten will, die sie im Wahlkampf noch "regierungsunfähig" und "koalitionsunfähig" genannt hatte. Aber die Verlockung ist groß, Kraft schloss in der Nacht die Bildung einer rot-rot-grünen Landesregierung nicht aus. Die Sozialdemokratin erklärte stattdessen, "wir werden das jetzt in der Partei beraten".

Die Linke stünde bereit, "es liegt jetzt an der SPD", so Spitzenkandidatin Bärbel Beuermann, allerdings ist völlig unklar, ob sich die Parteien auf eine gemeinsames Regierungsprogramm einigen können. Die Linke fordert nun einen "Politikwechsel" in NRW. Die Partei ist aber mit einem sehr fundamentalistischen Programm in den Landtagswahlkampf gezogen und hat in dem Land keinerlei realpolitische Erfahrung.

Für die SPD wäre eine Zusammenarbeit mit der Linken ein Abenteuer. Einiges spricht deshalb dafür, dass die SPD zunächst als Juniorpartner in eine große Koalition eintritt, um dann in den kommenden Monaten und Jahren in aller Ruhe ihr Verhältnis zur Linkspartei zu klären und im Landtag zu beobachten, wie die Linke, die ja erstmals in das Landesparlament eingezogen ist, dort agiert.

Rüttgers könnte auf Zeit spielen

Der CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers hingegen, der am Sonntagabend aus Enttäuschung über das Abschneiden seiner Partei schon sein Amt zur Verfügung stellen wollte, ist wieder im Spiel. Er könnte trotz des Absturzes in der Wählergunst wie einst sein Parteifreund Roland Koch in Hessen auf Zeit spielen und am Ende wieder obenauf sein. Allerdings steht die Partei in Nordrhein-Westfalen nicht geschlossen da, auch das Abtauchen des Ministerpräsidenten am Wahlabend wurde von vielen Christdemokraten kritisch gesehen. Rüttgers hatte sich am Sonntag nur kurz in der Öffentlichkeit gezeigt und dann Parteifreunde vorgeschickt, um vor den Fernsehkameras die Niederlage zu erklären.

Auf der CDU-Wahlparty wurde denn auch bereits intensiv über mögliche Nachfolger spekuliert. Im Gespräch ist der Integrationsminister Armin Laschet.

Eines scheint klar, wenn überhaupt, wird die SPD nur dann als Juniorpartner in einer großen Koalition zur Verfügung stehen, wenn die CDU bereit ist, auf Rüttgers zu verzichten. Zu sehr hatten sich die Sozialdemokraten im Wahlkampf auf das "System Rüttgers" eingeschossen und am Sonntagabend bereits dessen Ende gefeiert. Mit einem CDU-Ministerpräsidenten Laschet könnte die SPD und könnte vermutlich auch Kraft zusammenarbeiten.

Doch wie geht es jetzt weiter in Düsseldorf? Es beginnt ein Verhandlungsmarathon und ein langer Poker um die Macht. Am Montagmorgen sind alle Landespolitiker nach Berlin geflogen, um sich mit ihren Bundesparteien zu beraten. Am Nachmittag beginnen dann die Gespräche in Nordrhein-Westfalen. Die SPD will sich zunächst mit ihrem Wunschpartner Grüne treffen und darüber sprechen, wie es weitergehen könne. Dem werden wohl Sondierungsgespräche mit allen anderen Parteien folgen.

Der Schlüssel zur Regierungsbildung liegt bei der SPD. Ohne sie wird eine Regierungsbildung nicht möglich sein. Ein Jamaika-Bündnis mit CDU und FDP lehnen die Grünen ab, man werde den Wahlverlierern nicht zu einer neuen Mehrheit verhelfen, so Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann. Die Grünen wollen nun sowohl mit den Linken als auch mit der FDP sondieren.

Die FDP lehnt eine Ampelregierung allerdings weiterhin ab. Sie hatte ein Bündnis mit SPD und Grünen vor der Wahl ausgeschlossen. Am Montagmorgen erneuerte der FDP-Landesvorsitzende Andreas Pinkwart dieses "Nein", allerdings klang dieses nicht mehr ganz so kategorisch wie im Wahlkampf. "Die FDP sehe sich nicht in der Verantwortung, eine Regierung zu bilden", so Pinkwart, doch das kann sich ändern.

Zur Startseite