zum Hauptinhalt
Am Ende. Jean-Claude Juncker musste dem luxemburgischen Parlament in der Affäre um den Geheimdienst SREL Rede und Antwort stehen.

© Reuters

Abhörskandal in Luxemburg: Warum Jean-Claude Juncker doch zurückgetreten ist

An einen Rücktritt dachte Luxemburgs Regierungschef Jean-Claude zunächst keineswegs. Doch dann stolperte der 58-Jährige über die Geheimdienstaffäre - und musste sich dem Koalitionspartner beugen.

„Ich halte meine Rede und dann muss das Parlament entscheiden, was passiert.“ Jean-Claude Juncker gab den wartenden Journalisten nach dem am Mittag kurzfristig einberufenen Regierungsrat zu Protokoll, seine Stimmung sei „normal“. Später saß er hemdsärmelig auf der Regierungsbank und wartete auf seinen Einsatz im Luxemburger Abgeordnetenhaus, der „Chamber“. „Ich schwitze nicht, weil ich Angst habe“, lautete der erste Satz einer zweistündigen Rede, für die sich der dienstälteste Regierungschef Europas das dunkelblaue Sakko überzog. Im Anschluss ging es in seinen Ausführungen weniger humorvoll zu. Juncker, der seit 18 Jahren Premierminister ist, ahnte wohl, dass am Abend diese Legislaturperiode für ihn vorzeitig beendet sein würde.

An einen Rücktritt dachte der 58-Jährige zu Beginn der siebenstündigen Debatte keineswegs. Er könne „beim besten Willen keine politische Verantwortung feststellen“, lautete sein Fazit am Ende eines langen Plädoyers, in dem er alle zuvor gegen ihn erhobenen Vorwürfe zurückwies. Es geht um den Geheimdienst des 500 000 Einwohner zählenden Großherzogtums. Landläufig heißt diese Behörde „Spëtzeldengscht“, offiziell trägt sie den Namen „Service de Renseignement de l´Etat“ (SREL), und Jean-Claude Juncker ist dort als Premierminister ebenso lange politischer Chef, wie er die Regierungsgeschäfte leitet.

Elf sogenannte „Dysfonctionnementer“ werden im rund 150-seitigen Bericht des im Januar eingesetzten parlamentarischen Untersuchungsausschusses aufgezählt. Dazu gehören unter anderem nicht genehmigte Abhör-Aktionen, mehrfaches Überschreiten der zugewiesenen Kompetenzen und das Schaffen eines privaten Wirtschaftsinformationsdienstes, dessen Unabhängigkeit vom SREL bis heute ungeklärt ist. Der Dienst habe teils wie eine parallele Polizei eigenmächtig Ermittlungen durchgeführt, heißt es im Bericht.

"Das Dilemma hat noch kein Land gelöst"

Wieso hat der Staatsminister die Justiz nicht in Kenntnis gesetzt? Diese Frage taucht im Bericht immer wieder auf. Es bestehe kein Zweifel, dass der Premierminister Kenntnis von den Unregelmäßigkeiten hatte, stellte Berichterstatter François Bausch in der Debatte fest. Auch die Frage, wieso der sonst so energische Chef des Geheimdienstes nicht durchgriff und Disziplinarverfahren gegen die zweifelhaft agierenden Geheimagenten einleitete, blieb nach den über 50 Sitzungen der Kontrollkommission unbeantwortet.

Jean-Claude Juncker gibt keine schlüssigen Antworten

Jean-Claude Juncker gab auch am Mittwoch darauf keine schlüssigen Antworten. „Das Dilemma, wie sich ein Geheimdienst kontrollieren lässt, dessen primäre Aufgabe es ist, im Geheimen zu arbeiten, hat noch kein Land gelöst“, sagte er. „ Ich kann es auch nicht.“ Er habe sich bemüht und könne nun nicht die Verantwortung dafür übernehmen, dass sich ein paar von 60 Mitarbeitern falsch verhalten haben. Vielleicht habe er nicht immer ausreichend geprüft, ob seine Instruktionen umgesetzt wurden. Doch das überzeugte die Mehrheit der Abgeordneten nicht.

Junckers Christdemokraten stellten sich geschlossen hinter den Premierminister. Der Koalitionspartner jedoch tat, wie bereits Ende vergangener Woche angekündigt. Der Parteipräsident der sozialdemokratischen LSAP, Alex Bodry, sprach von „schwerwiegenden Unregelmäßigkeiten“ und forderte Juncker auf, „politisch dafür die Verantwortung zu übernehmen und den Weg freimachen für Neuwahlen“. Nach den Enthüllungen könne man nicht zur politischen Tagesordnung übergehen.

Am Ende gab sich Juncker geschlagen. „Wir können uns weitere Diskussionen sparen“, sagte er noch bevor es zu einer Abstimmung kam. Er werde am Donnerstag dem Großherzog die Auflösung des Parlaments mit Neuwahlen vorschlagen, so Juncker mit dünner Stimme. Glaubt man den Worten des Parteipräsidenten der CSV, Michel Wolter, werden die Christdemokraten mit Juncker an der Spitze in die Wahlen ziehen, die voraussichtlich im Oktober stattfinden werden. Juncker kann sich trotz Geheimdienstaffäre gute Chancen ausrechnen.

Danièle Weber[Luxemburg]

Zur Startseite