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Kohl von hier: Rund die Hälfte der Deutschen achtet auf regionale Lebensmittel.

© dapd

Regionale Lebensmittel: Foodwatch wirft Aigner "Pseudopolitik" vor

Lebensmittel aus der Region sind begehrt. Eine neue Kennzeichnung soll Kunden bei der Auswahl helfen.

Pieter Wolters schwört auf die Uckermark. Seine Kühe grasen dort. Deren Milch verarbeitet Wolters in seiner „Bauernkäserei“ in Bandelow bei Prenzlau zu Käse. Und den verkauft er wiederum in der Region. Nähe ist sein Geschäftsprinzip, Vertrauen sein Kapital. „Unsere Kunden können gern gucken kommen“, sagt Wolters.

Auch Andrea Rätz freut sich über Besuch. Auf ihrem Straußenhof in Berkenlatten kann man Ferien machen, man kann aber auch einfach nur im Hofladen vorbeischauen, Straußenfedern und -fleisch kaufen. Garantiert „ohne Antibiotika und ohne Impfung“, verspricht Rätz.

Um ihre Waren groß rauszubringen, haben sich viele Bauern und Lebensmittelhersteller in der Uckermark zusammengeschlossen. Mit einem Regionalsiegel werben sie für ihre Heimat – auch auf der Grünen Woche. „Gut, dass es das Siegel gibt“, sagt Rätz. Aber weitere Kennzeichnungen brauche man nicht. „Zu viele Siegel irritieren die Verbraucher nur.“

Das sieht Bundesverbraucherministerin Ilse Aigner (CSU) anders. Sie möchte die deutsche Siegelwelt um ein weiteres, bundesweit einheitliches Kennzeichen bereichern, das „regionale Fenster“. Das sollen Landwirte oder Lebensmittelhersteller künftig auf ihre Erzeugnisse drucken können, um auf die regionale Herkunft ihrer Waren hinzuweisen. Doch ob sie das tun, ist ihnen selbst überlassen. „Das ist eine freiwillige Entscheidung“, sagte Aigner am Montag in Berlin. Wer sich des Regionalfensters bedient, soll aber drei Angaben machen müssen: um welche Region geht es, was kommt aus der Region und wer kontrolliert diese Angaben? Einzelheiten sollen auf der Agrarministerkonferenz im April besprochen werden, bis zum Jahresende soll das neue Kennzeichen fertig sein.

Verbraucherschützer werfen Aigner „Pseudopolitik“ vor. „Das verändert gar nichts“, sagte Foodwatch-Sprecher Andreas Winkler dem Tagesspiegel. Denn Begriffe wie „Heimat“ oder „Nähe“ seien weiterhin ungeschützt und jeder könne damit werben. „Niemand wird gezwungen, das Regionalfenster auf seine Packung zu drucken“, gibt Winkler zu bedenken.

Foodwatch fordert statt dessen eine verbindliche Herkunftskennzeichnung. Doch diese habe Aigner im vergangenen Jahr auf EU-Ebene verhindert, als neue Regeln für die Kennzeichnung von Lebensmitteln beschlossen wurden. „Damals hätte Aigner intervenieren können“, ärgert sich Winkler, „und jetzt inszeniert sie sich als Verbraucherschützerin.“ Auch Armin Valet, Ernährungsexperte der Verbraucherzentrale Hamburg, fordert verbindliche Regelungen. „Wenn man mit der Region wirbt, müssen die Zutaten aus der Region stammen“, findet Valet.

Doch das ist meist nicht der Fall. Eine Untersuchung der Verbraucherzentrale Hessen im Mai vergangenen Jahres hatte ergeben, dass bei rund 90 Prozent der vermeintlichen Regionalprodukte völlig unklar war, woher die Produkte kommen. Auch bei „Öko-Test“ fielen bei einem Test im vergangenen Jahr die meisten Waren durch: Von 53 „Regional“-Erzeugnissen waren nur 14 wirklich von regionaler Herkunft.

Dabei würden die meisten Verbraucher gern Essen aus ihrer Region kaufen und sind bereit, dafür mehr Geld auszugeben. Das hat eine, vor einem Monat durchgeführte Emnid-Umfrage im Auftrag des Bundeslandwirtschaftsministeriums ergeben. Allerdings fühlt sich nicht einmal jeder Fünfte verlässlich informiert. Drei Viertel der Befragten wünschen sich verbindliche Kriterien für Regionalsiegel. Doch dieser Wunsch dürfte so bald nicht in Erfüllung gehen.

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