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Deirdre Berger

© Thilo Rückeis

Deirdre Berger über die Antisemitismus-Doku: „Das ist eine Verharmlosung von Antisemitismus“

Was war am "Faktencheck" der ARD falsch? Deidre Berger vom AJC zur umstrittenen Doku-TV-Ausstrahlung über Antisemitismus.

Von Caroline Fetscher

Frau Berger, Sie beanstanden am Umgang der ARD mit der Dokumentation „Auserwählt und Ausgegrenzt. Der Hass auf Juden in Europa“ , dass der zur Ausstrahlung eingeblendete „Faktencheck“ selber zahlreiche Fehler und Stereotypen enthält. Welche zum Beispiel?

Der „Faktencheck“ ist durchweg tendenziös. Sehen Sie sich etwa den Abschnitt über die Rede des palästinensischen Präsidenten Abbas im EU-Parlament an, wo er behauptet, dass Rabbiner beschlossen hätten, das Wasser der Palästinenser zu vergiften, um sie zu töten. Das ist nichts anderes als der uralte antisemitische Stereotyp des Juden als Brunnenvergifter. Der WDR schreibt in seinem „Faktencheck“, dass der Hinweis der Filmemacher auf dieses antisemitische Stereotyp nicht zulässig sei, da Abbas nicht von Brunnen, sondern von Wasser spricht.

Was schließen Sie daraus?
Das ist nichts anderes als eine Verharmlosung von Antisemitismus. Wie fahrlässig der „Faktencheck“ arbeitet, wird auch daran deutlich, dass kritiklos das Selbstbild der Sowjetunion und der DDR als antifaschistische Regime übernommen wird. Das ignoriert das ganze Volumen der Forschung zum Antisemitismus und Antizionismus in diesen Staaten. Das tradierte Selbstbild ist inzwischen längst eindeutig widerlegt.

Vermuten Sie bewusste Absicht?
Der „Faktencheck“ bietet weniger fundierte Einsichten als einseitige Bewertungen. Der WDR bemängelt etwa, dass der Film den Franzosen Marc Bensimhon nur „neutral“ als Rechtsanwalt vorstellt und dessen Tätigkeit bei einer Organisation gegen Antisemitismus nicht erwähnt. Insinuiert wird dabei vom WDR, dass solches Engagement Befangenheit und Einseitigkeit bedeutet. Es fragt sich außerdem, weshalb Neutralität ein Kriterium im Kampf gegen den Judenhass sein sollte? An Rufschädigung grenzt es, wenn der WDR der Linguistik- Professorin Monika Schwarz-Friesel die Qualifikation abspricht, im sprachlichen Subtext versteckten Antisemitismus zu dechiffrieren. Die Wissenschaftlerin wird international hoch anerkannt.

Was beanstanden Sie noch?
Auffallend oft zieht der „Faktencheck“ die Aussagen von genau den Personen und Institutionen in Zweifel, die sich für jüdische und israelische Interessen stark- machen. Deutlich wird dagegen das Bemühen des Senders erkennbar, pro-palästinensische Darstellungen unkommentiert wiederzugeben. Zum Beispiel räumt der WDR einer Vertreterin der Nakba-Ausstellung über die palästinensische Sicht auf die israelische Staatsgründung großen Raum ein, ohne den „Faktencheck“ zu bemühen. Die Ausstellung ist wissenschaftlich so umstritten, dass die Universität Göttingen es abgelehnt hat, sie in ihren Räumen zu zeigen.

Plant das AJC in Berlin eine Reaktion auf den Skandal um den Film?
Wir werden uns diesem Thema ausführlich widmen, weil sich an dieser Debatte eine Menge über den Antisemitismus in Deutschland lernen lässt.

Deidre Berger ist seit 2000 Direktorin des American Jewish Committee (AJC) Berlin Office, das Lawrence and Lee Ramer Institut für Deutsch-Jüdische Beziehungen.

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