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Leserdebatte: Wie gefährlich ist Cybermobbing?

Schüler beschimpfen sich bei isharegossip.com. In Berlin führte das zu einem Gewaltausbruch. Die Bundesprüfstelle hat die Seite auf den Index gesetzt - verschwinden wird sie deshalb jedoch nicht. Wie kann man Schüler schützen? Diskutieren Sie mit!

Erniedrigende Beleidigungen, wüste Beschimpfungen, gegenseitige Anstachelung – all das taucht auf der Internetseite isharegossip.com auf. Diese und andere Plattformen im Netz werden von immer mehr Kindern und Jugendlichen angeklickt. Da werden Klassenkameraden angeschwärzt und Lehrer beschimpft. In Berlin eskalierte eine solche virtuelle Auseinandersetzung in einem realen Gewaltausbruch.

Was ist isharegossip.com?

Die Internetseite bietet deutschen Schülern Gelegenheit, sich anonym über Mitschüler und Lehrer zu äußern.Diskutiert wird etwa über „die größte Schlampe“ oder den „hässlichsten Jungen“ einer Klasse. Inzwischen wird die Plattform tagsüber von bis zu 10 000 Nutzern gleichzeitig besucht. Einnahmen generieren die Macher offenbar durch Werbung für Erotik- und Computerspiel-Angebote.

Isharegossip wird von einem lettischen Unternehmen namens Jufax Intertaiment mit Sitz in Riga betrieben, im Impressum wird ein Alexander Liepa als Verantwortlicher benannt. Auf Anfragen des Tagesspiegel reagierten die Macher nicht. Angemeldet wurde die Seite in Neuseeland.

Wer wird gemobbt?

Die Mehrzahl der beleidigten und bedrohten Schüler auf der Seite ist weiblich. Dies deckt sich mit einer Untersuchung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) über Cybermobbing. Auffallend stark wird die Seite von Gymnasiasten besucht. Schulpsychologen vermuten, dass Gymnasiasten offenen, möglicherweise gewalttätigen Konfrontationen eher aus dem Weg gehen und indirekte Wege suchen, Konflikte auszutragen.

Stellt die Seite eine neue Dimension des Internet-Mobbings dar?

Auch auf Plattformen wie Facebook und SchülerVZ kam es immer wieder zu Mobbingaktionen. Allerdings ist dort die Hemmschwelle größer, weil die Nutzer verfolgbar sind – es sei denn, sie kommen an fremde Passwörter und schreiben von Internet-Cafés aus. Die Betreiber von isharegossip.com versprechen, grundsätzlich keine IP-Adressen zu speichern.

Sind die Betreiber der Seite bekannt?

Um gegen eine Mobbingseite wie isharegossip.com vorgehen zu können, werden die technischen und organisatorischen Daten der Website benötigt. An sie gelangt man über eine Who-is-Abfrage. In Deutschland würde dazu die Seite des Denic-Vereins aufgesucht, bei der alle .de-Domains registriert sind. Bei internationalen Seiten hilft www.ip-adress.com/whois weiter. Dort lässt sich der Standort des isharegossip-Servers beim schwedischen Internet-Hosting-Anbieter PeRiQuito AB sogar geografisch genau auf einer Karte anzeigen.

PeRiQuito (www.prq.se) versteht sich als sicherer Hafen für die freie Rede. „Auf Wunsch stellen wir auch schriftliche Verträge aus, notwendig sind sie jedoch nicht“, heißt es dort auf der Bestellseite. Bei den Eigentümern handelt es sich um zwei Mitbegründer von The Pirate Bay in Schweden. Deren Hafen hatte zuvor schon Wikileaks angesteuert, genau wie einige pädophile Internet-Angebote, wie es im englischsprachigen Wikipedia heißt.

Kann man gegen die Seiten vorgehen?

Jeder Betreiber hat die rechtliche Freiheit, Meinungen auf seiner Seite abzubilden. Doch gilt das Recht auf Meinungsfreiheit nur, wenn sie nicht diffamierender Art ist und beispielsweise das Persönlichkeitsrecht eines Menschen verletzt. Im Fall von isharegossip.com ermittelt die Zentralstelle für Internetkriminalität (ZIT) unter anderem wegen der Anstiftung zur Beleidigung und Verleumdung. „Wir reden über ein Portal, dessen Zielsetzung klar darauf ausgerichtet ist, eine Plattform dafür zu bieten, dass junge Menschen diffamiert und beleidigt werden“, sagte der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main, Alexander Badle. 50 Strafanträge von Privatpersonen aus ganz Deutschland hatten Anfang Januar zur Aufnahme der Ermittlungen gegen den Seitenbetreiber durch die Generalstaatsanwaltschaft geführt. Die Anträge waren von den örtlichen Polizeistellen an die Zentralstelle weitervermittelt worden. Mögliche strafrechtliche Sanktionen wären Geldstrafen oder Freiheitsentzug von bis zu fünf Jahren. Die Höhe des Strafmaßes im Falle einer Verurteilung hängt unter anderem von den Vorstrafen und Lebensumständen eines Täters ab.

Welche Handhabe hat die Politik?

Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien hat die Seite isharegossip.com mittlerweile auf ihren Index gesetzt. Das Bundesfamilienministerium hatte am Mittwoch einen entsprechenden Antrag gestellt, wie ein Sprecher des Ministeriums dem Tagesspiegel sagte. Damit sind deutsche Betreiber verpflichtet, diese Seite von ihren Servern zu nehmen. Auch Suchanbieter wie Google und Yahoo hätten sich verpflichtet, die indizierten Seiten nicht mehr anzuzeigen. Dadurch wird die Auffindbarkeit erschwert, aber nicht verhindert, weil Seiten wie isharegossip.com oft auch von ausländischen Servern betrieben werden.

Wie kann man sich wehren?

An mehreren Schulen haben sich Klassen erfolgreich gewehrt und mit gemeinschaftlichen Massenkommentierungen die Internetseite dermaßen überflutet, dass Beleidigungen kaum noch auffindbar sind. Die Mobbingzentrale Hamburg hat inzwischen einen eigenen Arbeitskreis zum Thema gegründet. Dieser rät Eltern, Beweise durch einen Screenshot der Seite zu sichern und den Betreiber mit einer Kopie davon zur Löschung der Beiträge unter abuse@isharegossip.com aufzufordern. Dies habe bereits mehrfach gewirkt. Zudem kann eine Strafanzeige gegen den Betreiber wegen Beleidigung und Verleumdung bei der nächstgelegenen Polizeiwache gestellt werden. Ein Strafantrag wird im Anschluss an die Zentralstelle für Internetkriminalität weitergeleitet. Zudem kann Anzeige gegen die Mobbingtäter erstattet werden, sofern ihr Name bekannt ist. Unter www.mobbing-zentrale.de gibt es weitere Informationen dazu.

Immer wieder kommt es zu Beleidigungen und Verleumdungen auf isharegossip.com. In Berlin führte dies sogar schon zu einem Gewaltausbruch. Die Bundesprüfstelle hat die Seite auf den Index gesetzt - aus dem Netz verschwindet sie deshalb jedoch nicht. Doch wie kann man Schüler schützen? Reicht das vom Senat beschlossene Förderprogramm für Medienkompetenz aus, um Internetmobbing einzudämmen? Oder muss an anderer Stelle angesetzt werden? Diskutieren Sie mit!

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