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Als der spätere Papst Benedikt XVI. noch Präfekt der Glaubenskongregation war, wurde der Fall des pädophilen Geistlichen Lawrence Murphy in Rom eher schleppend behandelt.

© ZDF

Doku über Vertuschung im Vatikan: Missbraucht im Beichtstuhl

An Hunderten von Jungen hat sich Pater Lawrence Murphy vergangenen, doch verurteilt wurde er nie, Priester durfte er bleiben. Die Doku von Oscar-Preisträger Alex Gibney zeigt, wie die katholische Kirche mit den bekannten Fällen von Kindesmissbrauch umgeht.

Die katholische Kirche, aber auch Polizei und Justiz zeigten sich barmherzig: Pater Lawrence Murphy wurde nie verurteilt. Er verlor nicht einmal sein Priesteramt, musste aber 1974, im Alter von 49 Jahren, seine Stelle als Leiter der St.-John’s-Schule für Gehörlose in Milwaukee aufgeben. Offiziell aus gesundheitlichen Gründen. Er wurde in allen Ehren verabschiedet. Ein Super-8-Film zeigt, wie die Kinder einzeln an ihm vorbeiziehen und ihm die Hand geben. Doch dieser freundlich und gütig wirkende Herr hat Hunderte von Knaben missbraucht, im Schlafsaal, in seinem Sommerhaus, auch im Beichtstuhl.

„Mea Maxima Culpa“ ist von Oscar-Preisträger Alex Gibney gedreht

Ausgehend von diesem erschütternden Fall in den USA, erzählt der amerikanische Dokumentarfilmer und Oscar-Preisträger Alex Gibney („Taxi zur Hölle“) in „Mea Maxima Culpa“, einer HBO-Produktion von 2012, wie die Kirche mit den seit Jahrzehnten bekannten Fällen von Kindesmissbrauch umging: Hauptsache, es wird nichts öffentlich, das Priesteramt wird nicht beschädigt und die Kirche gerät nicht in Misskredit. Gibney hinterfragt auch die Rolle von Kardinal Josef Ratzinger als Leiter der Glaubenskongregation. Der Vatikan und mithin Ratzinger, so der Vorwurf, habe vom Ausmaß der Verbrechen gewusst.

Dass Benedikt XVI., der als erster Papst die Schuld der Kirche öffentlich einräumte, mittlerweile abgedankt hat, lässt den Film nicht mehr ganz aktuell erscheinen, aber das mindert die Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels nicht im Geringsten. Die Detailfülle zu Fällen in den USA, Irland und Italien ist allerdings streckenweise unübersichtlich, auch wirkt manche Passage etwas suggestiv.

Murphy gab den Opfern die Schuld

Dennoch: Die Dimension der Vergehen an Minderjährigen ist unfassbar. Ausführlich kommen vier taubstumme Männer zu Wort. Murphy suchte sich gezielt Kinder aus, deren Eltern die Gebärdensprache nicht so gut verstanden. Später gab er den minderjährigen Opfern die Schuld: Es habe eine „zügellose Homosexualität unter den Jungen“ gegeben, die er durch eine Art „Sexualunterricht“ in den Griff zu bekommen versuchte. Sich selbst stellte er als frommen Büßer dar: „Ich nahm ihre Sünden auf mich.“ Und: „Danach betete ich und ging zur Beichte.“ 1974 wurde Murphy in die Ortsgemeinde versetzt, wo er weitere Jungen missbraucht haben soll.

Vom Vatikan gab es keine Hilfe

Seit 1963 wussten die Kirchenoberen Bescheid. Da hatte eines der Kinder einem anderen Priester, der Murphy zeitweise vertrat, von den Übergriffen erzählt. Und der weihte den Erzbischof ein. Es geschah: nichts. Einige der Opfer entschlossen sich nach Jahren, zur Polizei zu gehen. Ohne Erfolg. Noch in den 1990er Jahren wandten sie sich an den Vatikan. Am 12. Januar 1998 schrieb Murphy an Ratzinger: Er habe doch bereut, „die Zeit, die mir noch bleibt, möchte ich in der Würde meines Priesteramtes verbringen“. Von Ratzingers Antwort ist nichts überliefert, aber der Vatikan hatte kein Interesse an einem Verfahren gegen den pädophilen Priester. Murphy starb sieben Monate später – in der „Würde“ seines Priesteramtes. Thomas Gehringer „Mea Maxima Culpa – Stille im Haus des Herrn“, Arte, Dienstag, 20 Uhr 15

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