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Foto: WDR

© WDR/Herby Sachs

Hört, Hört!: Kulturkampf zu Köln

WDR 3 wird besser, sagt der Sender zur Reform. WDR 3 wird schlechter, sagen die Radioretter.

Es geht nur um „Kleinigkeiten“, meint WDR-Intendantin Monika Piel. Nur um „geringfügige Änderungen“, wie ihr Hörfunkdirektor Wolfgang Schmitz in Interviews beteuert. „Wir kürzen nicht, wir schichten lediglich Ressourcen um“, wiederholt er seit Wochen und kann gar nicht verstehen, warum wegen der geplanten Reform seines Kultursenders WDR 3 „so die Post abgeht“. Über 18 000 Hörer, vornehmlich aus Nordrhein-Westfalen, unterstützen inzwischen die Initiative der Radioretter, die sich vehement gegen einen weiteren Umbau der Welle wehren, weil sie eine Verflachung hin zum „Kultur-to-go“-Klassiksender befürchten. Unter den Protestlern finden sich Prominente wie Gerhart Baum, Sten Nadolny, Monika Maron, Richard David Precht oder Hans Blumenberg, aber auch viele Schüler und Studenten.

Man könnte sagen: Ein Hauch von Radio-Revolte liegt in der Kölner Luft. Und der bislang einmalige Proteststurm für einen Kultursender ist umso erstaunlicher, als dessen neue Reform bereits die vierte in elf Jahren wäre. Denn wie alle öffentlich-rechtlichen Kulturradios hat auch WDR 3 in Zeiten verschärfter (Internet-) Konkurrenz mit Hörerverlusten und einem überalterten Stammpublikum zu kämpfen. Und ähnlich wie vorher schon NDR Kultur oder MDR Figaro reagiert auch WDR 3 mit dem Allheilrezept der Popularisierung. Nicht einschalten, sondern durchhören, lautet seit 2001 die Devise von Wellenchef Karl Karst. Statt Wortbeiträgen gibt es seitdem immer mehr Musik im Programm, statt Kulturjournalismus immer mehr Service und statt Fachmoderation immer mehr „begleitende“ Gute-Laune-Ansprache.

Inzwischen liegt der Wortanteil von WDR 3 nur noch bei 30 Prozent. Trotzdem planen die Programmchefs, nochmals 32 Minuten politischer Berichterstattung pro Tag zu streichen. Zudem soll beim Feature gekürzt werden, soll die Musik künftig immer öfter aus dem Computer kommen. Das alles zum Wohle jener „leistungsorientierten Hörer, die morgens eine Buchbesprechung hören, damit sie abends auf der Party mitreden können“, wie Schmitz schon bei der Reform 2008 schwärmte.

Besonders erfolgreich waren er und sein Mitstreiter Karst mit diesem Credo allerdings nicht. Statt 2,3 Prozent Marktanteil, die WDR 3 vor 2001 hatte, dümpelt der Sender heute bei 1,4 Prozent herum. „Die Jungen werden nicht gewonnen, und was das Fatalste ist, man verliert auch die klassisch Kulturinteressierten, weil diese in den immer weiter verwässerten Süppchen des kulturellen Allerleis kaum noch etwas Substanzielles finden“, erklärt der ehemalige WDR-3-Redakteur Holger Noltze diesen Hörerschwund in seinem Buch „Die Leichtigkeitslüge“.

Im Sender selbst spielt die schlechte Quote der Welle überhaupt keine Rolle. Die Verantwortlichen geben sich unbeeindruckt und scheinen fest entschlossen zu sein, auch die neue Reform durchzuziehen. Während Intendantin Piel zu den Offenen Briefen der Radioretter schweigt, versuchten Schmitz und Karst zuletzt ihre Gegner mal als ewiggestrige Elfenbeinturmbewohner, mal als enttäuschte Mitarbeiter abzuqualifizieren, denen es bloß um wegfallende Honorare ginge. Auch die Auftritte der Senderchefs im eigenen Programm waren eher unglücklich. Beide schreckten in Sondersendungen nicht davor zurück, sich von handzahmen Moderatoren zu den Radiorettern befragen zu lassen – ohne einen einzigen Radioretter ins Studio eingeladen zu haben.

Kann es da verwundern, dass der Widerstand gegen ihre Reformpläne wächst und wächst? Und längst schwingt darin auch ein Unmut über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk insgesamt mit, der sein Geld am liebsten für Fußball, Talkshows und Krimis im Fernsehen ausgibt. „Zahlen wir inzwischen Gebühren für unsere intellektuelle Unterforderung?“, brachte Gerhart Baum dieses wachsende Unbehagen anspruchsvoller Radiohörer kürzlich in der „Zeit“ auf den Punkt.

Immerhin scheint der WDR-Rundfunkrat die Argumente der Reformkritiker nun doch ernster zu nehmen. Nachdem das Gremium seine Zustimmung zu den geplanten WDR-3-Änderungen im März überraschend verschoben hatte, tagte das Gremium in der vergangenen Woche zum allerersten Mal öffentlich, um den Radiorettern Gelegenheit zu geben, ihren Standpunkt darzulegen. Es wird spannend, wie der Rat am 30. Mai über die Zukunft von WDR 3 entscheidet. Alexandra Zwick

Alexandra Zwick

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