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Alleinerziehende und die Statistik: Wo ist Papa?

Bei vielen Trennungskindern kümmern sich beide Elternteile. Doch die Statistik erfasst nur Alleinerziehende. Das geht an der Lebensrealität vorbei.

Meine drei Kinder halten sich regelmäßig über 40 Prozent der Zeit bei mir auf. Meine Ex-Frau und ich sind in diesem Sinne beide teilzeiterziehend. Wir teilen uns die Sorge um unsere gemeinsamen Kinder. Diese einfache, und inzwischen weit verbreitete Lebensrealität kommt in der amtlichen Statistik des Berliner Senats leider nicht vor. Dort erscheinen Mütter, bei denen die Kinder polizeilich gemeldet sind, alle als alleinerziehend. Egal, ob der Vater auch das Sorgerecht hat. Und egal, ob der Vater sich im Alltag auch um die Kinder kümmert.

Der jüngst erschienene Gender-Datenreport der Berliner Senatsverwaltung für Wirtschaft, Technologie und Frauen enthält Daten, die erwartungsgemäß für viel Aufmerksamkeit gesorgt haben: Bei einem Drittel der Berliner Familien mit Kindern unter 18 Jahren handelt es sich um Alleinerziehende. Bei Familien mit einem Kind unter 18 Jahren sind es sogar fast 40 Prozent. Und: Der Anteil der Frauen an den Alleinerziehenden mit einem Kind beträgt 89 Prozent, mit zwei und mehr Kindern sogar 94 Prozent. Leider blendet die amtliche Statistik einen nicht unbedeutenden Teil der Realität aus: die Väter. Haben Kinder von alleinerziehenden Müttern etwa keine Väter? Warum enthält der Gender-Datenreport keinerlei Informationen über sie? Wenn man diese Statistik betrachtet, scheint es so, als ob mehr als ein Drittel der Familien in Berlin gänzlich vaterlos sind. Als ob Kinder keinen Umgang mit ihren Vätern hätten. Und als ob sie keinen Anteil an ihrer Erziehung hätten.

Dass es auch anders geht, zeigt der 2006 erschienene siebte Familienbericht der Bundesregierung. Darin heißt es: „Eine Ehescheidung beendet ein Familiensystem nicht, es reorganisiert es tiefgreifend.“ In der Realität, so zeigt der Bericht, gehört zu einer Familie auch nach einer Trennung oder Scheidung der Vater dazu. Zwar nimmt in der Regel die Zeit, die er mit den Kindern verbringt, nach einer Scheidung ab. Tatsächlich zieht bei fast einem Viertel der Väter die Trennung von der Mutter den Kontaktabbruch zum eigenen Kind nach sich, wie eine Studie des Bremer Soziologen Gerhard Amendt über „Trennungsväter“ zeigt. Das heißt aber auch: Drei Viertel der Väter haben nach der Trennung weiter Kontakt zu ihren Kindern. Väter verschwinden nach einer Trennung oder Scheidung nicht automatisch aus dem Leben ihrer Kinder – wie die Statistik des Berliner Senats suggeriert.

Immer mehr Väter von heute interessieren sich für ihre Kinder, wollen mit ihnen Zeit verbringen und beteiligen sich an ihrer Erziehung im Alltag. Ihre alltägliche Sorge für die Kinder endet nicht plötzlich, nur weil es zur Trennung von der Kindesmutter kommt. Trotzdem zeigt die Statistik einen ständigen Zuwachs alleinerziehender Mütter. Welche Realität wird hier dokumentiert? Und wem nützen solche Statistiken?

Rechtlich sind Trennungs- und Scheidungskinder schon lange keine „Waisenkinder“ mehr. Kinder haben ein Recht auf beide Elternteile. Bei ehelichen Kindern verbleibt das Sorgerecht nach der Scheidung in aller Regel bei beiden Elternteilen. Nur bei den nichtehelichen Kindern hinkt das deutsche Recht noch hinterher. Väter von nichtehelichen Kindern erhalten bekanntlich hierzulande nach der Trennung das Sorgerecht nur dann, wenn die Mutter dem zustimmt. Eine aktuelle Studie im Auftrag des Bundesjustizministeriums zeigt, dass die Mütter häufig die gemeinsame Sorgeerklärung verweigern, weil sie Konflikte mit dem Ex-Partner vermeiden wollen und sie in dieser Auffassung von den Jugendämtern häufig auch noch bestärkt werden. Dies mag pragmatisch gedacht sein, verletzt aber das Recht des Kindes auf den Vater. Dies ist nur dann legitim, wenn das Kindeswohl eindeutig gefährdet ist. Kinder haben ein Recht auf ihre Väter und sie brauchen sie. Deshalb ist es gut, dass die Väterrechte heute sukzessive gestärkt werden. Auch die Verantwortlichen für den Gender-Datenreport – federführend ist Wirtschaftssenator Harald Wolf – müssen ihre soziale Realität möglichst schnell neu konstruieren. In einer Welt mit Kindern gibt es auch noch die Väter. Eine Statistik, die dies leugnet, ist wertlos.

Der Autor ist geschiedener Vater von drei Kindern und Mitglied bei Väteraufbruch e.V.

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