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Nicht mehr "Mein Amazon"? Das Logistikcenter des Unternehmens in Bad Hersfeld

© dpa

Amazon in der Kritik: Billig, geizig, monopolistisch

Der Onlinehändler Amazon steht in der Kritik, weil er Zeitarbeiter schlecht behandelt hat. Plötzlich ist das anonyme Einkaufen im Netz für den Kunden nicht mehr nur einfach, schnell und sicher - es stellt auch die Frage nach dem Gewissen.

Das könnte sie interessieren“, sagt Amazon und legt einem neben die „Sämtlichen Werke von Gotthold Ephraim Lessing für 2,38 Euro inkl. Mehrwertsteuer und kostenloser drahtloser Lieferung“ ein USB-Lightning-Kabel für das iPhone 5 ans Herz. Das ist es also, was sich der Onlinehändler als „mein Amazon.de“ vorstellt. Tatsächlich weiß Amazon mehr über einen als man selbst, zum Beispiel, was man Weihnachten 2002 verschenkt hat.

So wie Amazon die Kunden zu kennen glaubt, so sehr dachten die Kunden, sie würden Amazon kennen. Es ist ja auch praktisch. Nicht nur, dass Bücher und Waschmaschinen nach Hause geliefert werden. Man spart sich auch die musternden Blicke von Buchhändlern oder die Gleichgültigkeit von Elektronikverkäufern. Bei Amazon ist es kein Problem, wenn man von dem, was man kauft, keine Ahnung hat: Es wird bestellt, probiert, zurückgesandt. Man muss kein schlechtes Gewissen dabei haben.

So ist der Erfolg von Amazon einerseits darauf zurückzuführen, dass Einkaufen völlig anonymisiert worden ist. Zum anderen wird einem als Kunden ständig das Gefühl vermittelt, sein Kaufverhalten unter Kontrolle zu haben. Aus dieser merkwürdigen Mischung erklären sich die Reaktionen, die Amazon nun entgegenschlagen: Man wollte ja gerade keinen persönlichen Kontakt zum Händler. Deshalb lassen einen die angeprangerten Beschäftigungspraktiken auch seltsam kalt. Andererseits wird einem klar, wie sehr man schon längst selbst Teil der Marke Amazon ist. In dieser Funktion fühlt man sich jetzt durchaus ertappt – jetzt, wo der Konzern von Politik und Medien an den Pranger gestellt wird.

Trägt man also selbst Mitverantwortung für das Geschäftsgebahren des Versandhändlers? Einige tausend Kunden sollen ihre Konten gekündigt haben, wohl auch aus schlechtem Gewissen. Der Konzern wird die Kündigungen aber verkraften können, weil die Monopolisierung im Internet zu weit fortgeschritten ist.

Die größere Gefahr geht für den Internetriesen eher davon aus, dass er nur einen Bruchteil seines Deutschlandgeschäfts auch im Inland versteuert. Amazon liefert zwar aus deutschen Lagern, die Kaufverträge schließt der Kunde aber mit der Firma „Amazon EU Sarl“ in Luxemburg ab. Das hat damit zu tun, dass Luxemburg für Erträge aus geistigem Eigentum nur 5,7 Prozent Steuern erhebt – erheblich weniger, als in Deutschland anfallen würde. Ähnliche Praktiken sind bereits Starbucks in England zum Verhängnis geworden. Eine deutsche Buchhandelskette hat schon Schilder aufgestellt: „Wir zahlen in Deutschland Steuern.“

Die Debatte um die Geschäftspraktiken könnte also deshalb zum Problem werden, weil nun ganz offensichtlich wird, wie sehr der einzelne Kunde in einem Loyalitätskonflikt steckt. Er will billig und bequem einkaufen, aber niemanden unterstützen, der Steuervermeidung betreibt. „Mein Amazon.de“ ist in diesem Sinne vielleicht bald kein Sympathieträger mehr. Denn spätestens wenn der Staat hintergangen wird, hört in Deutschland bekanntlich der Spaß auf.

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