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Polen ist ein Passus zum Handel mit Emissionsgutschriften zu restriktiv - auch Russland und die Ukraine fordern weniger Beschränkungen beim Handel mit diesen Zertifikaten.

© dpa

Gastkommentar zum Klimaschutz: Der Emissionshandel braucht eine Not-OP!

Er ist die größte ökologische Herausforderung weltweit: der Klimawandel. Vor allem das Herzstück der europäischen Klimapolitik, der Emissionshandel, liegt am Boden. Eingreifen oder zuschauen? Das ist jetzt die Frage.

Der Klimawandel bleibt die größte ökologische Herausforderung weltweit. Und der 2005 eingeführte Handel mit Emissionszertifikaten ist das Herzstück der europäischen Klimapolitik. Doch der Emissionshandel liegt am Boden. Die gehandelten CO2-Zertifikate haben seit 2008 ganze 80 Prozent ihres Wertes verloren. Der Handel kann bei den aktuell niedrigen Preisen seine Funktion, nämlich Investitionen in kohlenstoffarme Technologien zu lenken, nicht mehr erfüllen. Damit ist das Herzstück der EU-Klimapolitik klinisch tot

Eingreifen oder zuschauen? Das ist derzeit die Frage. Doch die potenziellen Retter zaudern. Das bleibt  nicht ohne Folgen: Stirbt der Emissionshandel, wird Klimaschutz in Europa zum Bettvorleger.

Deshalb muss Deutschland jetzt die Stimme erheben. Unser Votum in dieser Frage gilt etwas in der EU. Bislang aber stehen wir beiseite. Zwar will sich der Bundesumweltminister kraftvoll einbringen, doch ihm sind die Hände gebunden. Die Bundesregierung kann in der EU nur einheitlich auftreten - doch der  Wirtschaftsminister blockiert. Dabei spielt Philipp Rösler mit dem Feuer. Denn es steht viel auf dem Spiel: Für den Klimaschutz, aber auch für die Wirtschaft. Die Unternehmen wollen Investitionssicherheit durch einen verlässlichen klimapolitischen Handlungsrahmen. Dieser gibt ihnen die Gewissheit, dass sich Investitionen zur Emissionsreduktion von heute morgen bezahlt machen. Diese Verlässlichkeit wird gerade untergraben. Investitionen in neue klimaschonende Technologien werden auf Eis gelegt.

Gerechnet wurde einmal mit einem Zertifikatspreis von über 30 Euro. Ende Januar diesen Jahres sank der Preis für den Ausstoß einer Tonne Kohlendioxids dagegen auf einen neuen Tiefststand von unter drei Euro. Das bedeutet Herzstillstand der europäischen Klimapolitik! Und damit ist auch die Blutzufuhr zum Energie- und Klimafonds gestoppt. Die Einnahmen aus dem Emissionshandel fehlen bei zentralen Projekten wie der Gebäudesanierung und  der Elektromobilität. Die Energiewende  wird gefährdet.

Der Preisverfall ist dabei nicht Ausdruck eines funktionierenden Marktes, er wurde durch Sondereffekte hervorgerufen. Zum einen  durch die Wirtschaftskrise. Die eingebrochene Produktion führte automatisch zu einer schwachen Nachfrage nach CO2-Zertifikaten.  Zum anderen durch das Überschwemmen des Marktes mit Zertifikaten aus Drittstaaten - teilweise aus ökologisch fragwürdigen Projekten. 

Ein Markteingriff kann immer nur die ultima ratio sein. Doch wann, wenn nicht jetzt, sollte eine solche Sondersituation vorliegen? Deshalb muss jetzt gehandelt werden, der Emissionshandel braucht eine Not-OP! Die EU-Kommission hat mit dem so genannten Backloading einen Erfolg versprechenden Reparatureingriff in die Debatte eingebracht. EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard schlägt vor, 900 Millionen CO2-Zertifikate später zu versteigern als ursprünglich geplant, um den Angebotsüberschuss nicht weiter auszubauen. Ein konstruktiver Vorschlag, der schon die Zustimmung vieler Mitgliedstaaten findet. 

Ohne Zweifel schafft das Backloading nur kurzfristig Abhilfe. Als zweiten Schritt müssen diese Zertifikate ganz vom Markt genommen werden. Gleichzeitig  muss die EU eine grundlegende Reform des Emissionshandels angehen und etwa höhere Ökostandards für Klimazertifikate aus Drittländern etablieren. Zudem muss sich Deutschland mit aller Kraft für eine Anhebung des EU-Emissionsziels von 20 auf 30 Prozent Reduktion bis 2020 im Vergleich zu 1990 einsetzen. Die Bundesregierung hat sich in ihrer Nachhaltigkeitsstrategie zu diesem Ziel bekannt. Nun müssen in der EU Taten folgen.

Deutschland ist Vorreiter im Klimaschutz. Deshalb dürfen wir uns jetzt nicht enthalten. Wer dem Scheitern des Emissionshandels tatenlos zusieht, muss die Konsequenzen tragen. Neben dem Verlust von Glaubwürdigkeit hätte dies eine weitere Konsequenz: Dem Scheitern der Marktwirtschaft in der EU-Klimapolitik würde der laute Ruf nach Ordnungsrecht und Klimasteuern folgen. Ein Bundeswirtschaftsminister kann beides nicht wollen.

Andreas Jung MdB (CDU) ist Vorsitzender des Parlamentarischen Beirats für nachhaltige Entwicklung. Max Schön sitzt im Vorstand der Stiftung 2 Grad – Deutsche Unternehmer für Klimaschutz.

 

Andreas Jung, Max Schön

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