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Bundespräsident Joachim Gauck bei einem Truppenbesuch in Afghanistan.

© dpa

Mehr Auslandseinsätze der Bundeswehr: Joachim Gauck hat Recht

Bundespräsident Joachim Gauck fordert mehr deutsches Engagement in der Welt – und wird dafür kritisiert. Dabei ist seine Mahnung richtig: Würde sich Deutschland grundsätzlich vor Militäreinsätzen wegducken, wäre das heuchlerisch.

Von Christoph Seils

Außenminister Frank-Walter Steinmeier ist derzeit der beliebteste deutsche Politiker. Sein Markenzeichen: eine aktive Außenpolitik. Steinmeier mischt sich ein. Der Sozialdemokrat jettet unermüdlich durch die Welt. Berlin – Kiew, Genf – Moskau, Brüssel – Washington. Keine diplomatische Initiative lässt er unversucht, um den Konflikt in der Ukraine einzudämmen. Es mag sein, dass Steinmeier bislang nicht besonders viel erreicht hat, die Ukraine steht, weil Russland ein Interesse an der Eskalation hat, am Rande eines Bürgerkrieges. Kritiker werfen dem Außenminister zudem vor, zu viel Verständnis für den russischen Präsidenten Putin zu zeigen. Aber wäre es besser, sich rauszuhalten? Wohl kaum.

Auch in anderen Krisenregionen der Welt hält sich die schwarz-rote Bundesregierung nicht raus. In Syrien begleitet die Bundeswehr seit kurzem die Vernichtung von Chemiewaffen. In der Zentralafrikanischen Republik unterstützt sie die europäischen Schutztruppen seit dem Frühjahr mit Sanitätern und Ausbildern sowie mit Transport- und Tankflugzeugen im Kampf gegen Tuareg-Rebellen. Im Mali ist in den letzten zwölf Monaten mit Unterstützung von maximal 250 Bundeswehrsoldaten gelungen, die Lage zu stabilisieren und den Vormarsch der Islamisten zu stoppen.

Nach den Ohne-uns-Jahren der Ära Guido Westerwelle steht die deutsche Außenpolitik in der Großen Koalition unverkennbar vor einer Neuausrichtung. Nicht nur in der Ukraine. Deutschland ist wieder präsenter auf der internationalen Bühne. Und es ist sicherlich kein Wunder, dass sich der Bundespräsident Joachim Gauck deshalb jetzt erneut zu diesem Thema geäußert hat. Eine Reise nach Norwegen nutzte dieser, um Deutschland zu mahnen, wieder mehr Verantwortung in der internationalen Politik zu übernehmen. Dem Deutschlandfunk sagte Gauck zum Abschluss seines Staatsbesuches, zu einer aktiven Politik Deutschlands zur Konfliktlösung gehöre auch, "den Einsatz militärischer Mittel als letztes Mittel nicht von vornherein zu verwerfen".

Von wegen Hurra-Militarismus

Der empörte Protest gegen einen Präsidenten, der sein Volk vermeintlich zu den Waffen ruft, ließ nicht lange auf sich warten. Für die deutsche Linke bedeutet jeder Versuch deutscher Politiker, sich den außenpolitischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu stellen, ein Rückfall in imperiale Großmachtpolitik, die Rückkehr des Stahlhelms.

Dabei hat sich Gauck sehr viel differenzierter geäußert, als es die billigen pazifistischen Reflexe vermuten lassen. Der Bundespräsident spricht in dem Interview vor allem über Demokratie und Menschenrechte. Er erwähnt explizit das Engagement Norwegens im Friedensprozess in Guatemala und er lobt ausdrücklich die Initiativen von Außenminister Steinmeier zur Konfliktlösung in der Ukraine. Er verweist darauf, dass es „in diesem Kampf für Menschenrechte oder für das Überleben unschuldiger Menschen“ manchmal erforderlich sei, „auch zu den Waffen zu greifen“.

International würden Kräfte gebraucht, „die Verbrecher oder Despoten, die gegen ihr eigenes Volk oder gegen ein anderes mörderisch vorgehen, zu stoppen.“ Und dann sei „als letztes Mittel“ manchmal „gemeinsam mit anderen“ auch die Abwehr von Aggression erforderlich. „Deshalb gehört letztlich als letztes Mittel auch dazu, den Einsatz militärischer Mittel nicht von vornherein zu verwerfen.“ Von wegen Feldherrenmentalität, von wegen Kriegstreiberei, von wegen Hurra-Militarismus.

Angesichts der aktuellen Entwicklungen im Irak und in Syrien, in Zentralafrika oder in Nigeria klingen die Worte des Bundespräsidenten eher wie eine Selbstverständlichkeit. Natürlich lassen sich Menschenrechte nicht herbeibomben, so naiv ist der Bundespräsident nicht. Aber manchmal ist es notwendig, das Morden zu stoppen. Dies ist eine Lehre etwa aus dem Massaker von Srebrenica im Jugoslawienkrieg oder dem Völkermord in Ruanda.

Drecksarbeit gegen den islamistischen Terror nicht anderen überlassen

„Responsibility to Protect” heißt das Prinzip, das die Vereinten Nationen als Reaktion auf Ruanda mit Zustimmung der großen Mehrheit der Staatengemeinschaft im Völkerrecht etabliert haben. Das Prinzip umfasst drei Elemente: erstens die Vorbeugung, zweitens die Schutzverantwortung der internationalen Gemeinschaft, zu der notfalls auch das militärische Eingreifen gehört, sowie drittens die Versöhnung der Konfliktparteien. Nichts anderes hat auch Joachim Gauck in seinem Interview am Wochenende formuliert.

„Ich finde es aber gut, dass wir nicht nur innerhalb Deutschlands darüber reden, wie und wo sollen wir uns engagieren, sondern dass uns von außen auch Fragen gestellt werden: ‚Handelt ihr entsprechend eurer Bedeutung?‘“, sagte der  Bundespräsident und mahnte zurecht eine ernsthafte Antwort an.

Die Antwort allerdings, die die Bundesregierung in den vergangenen vier Jahren gegeben hat, kann es nicht gewesen sein. Die Folgen der schwarz-gelben Außenpolitik machte in der vergangenen Woche Schlagzeilen. Da wurde bekannt, dass die Zahl der deutschen Rüstungsexporte 2013 um 25 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gestiegen waren. Dabei ist es kein Zufall, dass vor allem regionale Hegemonialmächte wie Algerien, Saudi-Arabien oder Indonesien von dieser Exportoffensive profitieren. Nach dem Scheitern des Afghanistan-Einsatzes hatten sich Angela Merkel und Westerwelle dazu entschlossen, die Drecksarbeit im Kampf gegen den islamistischen Terror völlig unabhängig von ihrem demokratischen Leumund anderen zu überlassen. Doch das ist auch keine Lösung. Es ist gut, dass sich Deutschland wieder um eine aktive Außenpolitik bemüht und mehr Verantwortung in der internationalen Politik übernimmt.

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