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Die Republikanische Garde in Ägypten bei einer Straßenblockade. Das Militär als Ordnungsmacht ist im Land am Nil immer noch unangefochten.

© Reuters

Militär als Ordnungsmacht: Die Türkei sollte Ägypten ein Vorbild sein

Die starke Position der Militärs könnte sich selbst überleben.

Seit Jahren diskutiert die arabische Welt über die Frage, ob ihr die Türkei als Vorbild dienen solle. Aktuell drängt sie sich nach dem Militärputsch in Ägypten wieder auf, weil die Situation dort der in der Türkei bis vor wenigen Jahren ähnelt. Eine starke islamistische Bewegung feiert Erfolge in freien Wahlen, strebt nach der ganzen Macht und das Militär zeigt ihr die Grenzen auf.

Es war und ist eine der wichtigsten Fragen der Politik im Nahen Osten, wie es gelingen kann, in den arabischen Staaten Rechtsstaatlichkeit und politische Partizipation zu fördern. Dies ist eine besonders dringliche Aufgabe in den Republiken, deren Regime im arabischen Frühling gestürzt wurden. Hier stellten die Islamisten der Muslimbruderschaft und verwandter Organisationen seit Jahrzehnten die einzige nennenswerte Opposition gegen die autoritär herrschenden Militärs. Da die Islamisten jedoch auf einen islamischen Staat und die Durchsetzung des islamischen Rechts, der Scharia abzielen, war es nicht zu erwarten, dass der 2011 plötzlich einsetzende Wandel zu einer Demokratisierung führen würde.

Während der bisher einzige arabische Versuch, das Dilemma „Militär oder Islamisten“ aufzulösen, in Algerien Anfang der 1990er Jahre in einem blutigen Bürgerkrieg mündete, hat die Türkei das Problem gelöst. Eine starke Armeeführung sicherte sich über den „Nationalen Sicherheitsrat“ ein Vetorecht über alle Aktivitäten der gewählten Organe und schreckte auch nicht davor zurück, gewählte Regierungen zu stürzen, wenn diese tatsächlich oder vorgeblich drohten, die Grundfesten der republikanischen Ordnung zu erschüttern. Dies galt auch in den ersten Jahren nach der Wahl des islamistischen Ministerpräsidenten Erdogan 2002. Doch gelang es ihm und seiner Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung, die Armeeführung zu überzeugen, dass sie von ihrem alten Ziel, einen islamischen Staat aufzubauen, abgelassen hatten. Das wachsende Vertrauen in die Demokratiefähigkeit der türkischen Reformislamisten erlaubte es Erdogan, den Einfluss des Militärs einzuschränken.

In der Türkei zwang die Kontrolle des Militärs die türkischen Islamisten, sich in ein demokratisches System zu integrieren. Als dies geschehen war, konnten die Generäle ihre dominierende Position nicht mehr rechtfertigen und so wurde der Weg zu ihrer Entmachtung frei. Dieses Modell hätte die ägyptische Politik bereits 2011 anleiten müssen, als die Armee noch in einer starken Position war. Immerhin hatten die führenden Militärs Mubarak zur Aufgabe gezwungen. Im Obersten Rat der Streitkräfte bestimmten sie 2011 und 2012 für kurze Zeit die Geschicke des Landes, bis der Armee- und der Generalstabschef im August 2012 von dem neu gewählten Präsidenten Mursi entlassen und der Militärrat entmachtet wurde. Es spricht einiges dafür, dass es eine Art Übereinkunft zwischen beiden Seiten gab. Die Generäle akzeptierten ihre Entmachtung, solange der Präsident den von den Militärs kontrollierten Teil der ägyptischen Wirtschaft nicht antastete. In den darauffolgenden Monaten zeigte sich jedoch, dass diese Übereinkunft nicht tragfähig war. Nicht nur, dass Mursi versuchte, Schaltstellen im Staatsapparat zu besetzen und wachsenden Widerstand gegen seine autoritäre Haltung ignorierte. Vielmehr vernachlässigten die Muslimbrüder die Wirtschaftspolitik, bis das Land im Juli 2013 kurz vor der Zahlungsunfähigkeit stand und damit auch die wirtschaftlichen Interessen der Militärs in Gefahr gerieten.

Nach dem Staatsstreich vom Juli 2013 haben die Ägypter erneut eine Gelegenheit, sich am türkischen Modell zu orientieren. Die Armeeführung sollte im Hintergrund agieren und die Entstehung eines neuen autoritären Regimes verhindern. Dies würde es den Muslimbrüdern nach Neuwahlen erlauben, die ihnen zustehende wichtige Rolle im politischen System zu spielen, ohne Konkurrenten ausschalten zu können. In einem solchen Fall bestünde genau wie in der Türkei die Hoffnung, dass sie sich mit einem langsam entstehenden demokratischen System arrangieren würden und die starke Position des Militärs sich irgendwann selbst überlebt hätte.

Der Autor ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).

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