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Der 1966 geborene Autor Christian Kracht.

©  Verlag

Autoren-Streit: Krach um Kracht

Nach Rassismusvorwürfen im "Spiegel" sagt Christian Kracht seine Lesung in Berlin ab: Die Debatte um Christian Kracht und seinen Roman "Imperium".

Imperium“, der neue Roman von Christian Kracht, liegt erst seit heute in den Buchhandlungen, hat aber schon für viel Aufregung gesorgt. Nachdem in der jüngsten Ausgabe des „Spiegel“ Georg Diez mit „der Methode Kracht“ abgerechnet und den Schweizer Schriftsteller unter anderem als „Türsteher der rechten Gedanken“ bezeichnet hatte, sagte Kracht nun seine ausverkaufte „Imperium“-Premierenlesung am 22. Februar im Deutschen Theater Berlin ab. Die Vorwürfe bedrückten ihn so sehr, teilte Krachts Verlag Kiepenheuer & Witsch mit, „dass er sich im Moment außerstande sieht, nach Deutschland zu kommen“.

Die Kritik ist wirklich eine Generalabrechnung. „Imperium“ sei „von Anfang an durchdrungen von einer rassistischen Weltsicht“, so Diez – was er aber weniger am Roman selbst festmacht, sondern vor dem Hintergrund des Werkes von Kracht im Allgemeinen und einem Schriftverkehr Krachts mit dem wirren, rechts gesinnten amerikanischen Komponisten David Woodard im Speziellen. Nun fällt es gerade nach der Lektüre von „Imperium“ schwer, Diez zu folgen (Hier geht es zur Tagesspiegel-Rezension). Da muss man schon vieles bewusst missverstehen und in eine bestimmte Richtung interpretieren wollen. Eher fragt man sich, warum Diez, der übrigens selbst KiWi-Autor ist, Kracht nicht schon früher angegriffen hat?

Allerdings verwundert die aktuelle Verletztheit von Kracht auch ein wenig. Ist er doch zum einen ein Autor, der durchaus gern mal provoziert. Zum anderen sind in vielen Feuilletons Lobeshymnen auf „Imperium“ gesungen worden. Auch der Verlag hatte sich gleich nach Veröffentlichung des „Spiegel“-Artikels mit einer öffentlichen Mitteilung hinter Kracht gestellt und war mit harschen Worten „diesem journalistischen Rufmord“ entgegengetreten.

Die Angelegenheit, Skandal oder nicht, hat jedoch einen trüben Beigeschmack. Da ist was Routiniertes, Wohlfeiles mit im Spiel. Es geht um Rassismus, der kommt auf dem Markt der Aufmerksamkeiten immer gut. Hier der Wächter und Mahner Diez, gerade in Zeiten der Aufdeckung des Nazi-Mördertrios Mundlos, Böhnhardt, Zschäpe und seltsamer Verfassungsschutzgeschichten. Und dort ein hochgradig empörter Verlag, der sich auf seine antifaschistische, demokratische Tradition beruft.

Die Verhältnismäßigkeiten stimmen zumindest nicht mehr: Neonazi-Jagden auf linke Jugendliche in Halberstadt oder Dortmund haben es ungleich schwerer, noch in den medialen Fokus zu geraten. Und wenn laut einer Studie zwanzig Prozent der Deutschen latent antisemitisch sind, herrscht: Ratlosigkeit. Achselzucken.

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