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Dem Himmel so fern: Grau, zugig, schäbig und geduckt, so kennt der Berliner seinen Alex.

© dpa

Bebauung am Alex: Baut mehr Hochhäuser!

Senatsbaudirektorin Regula Lüscher ist eingefallen, dass manch ein Haus aus der DDR doch auch ganz schön ist. So wird sich Berlin nicht weiter entwickeln. Die Stadt braucht mehr architektonischen Mut. Sie muss wieder höher hinaus wollen.

Bald hundert Jahre ist es her, dass ein junger Architekt ein Hochhaus für Berlin entwarf. Der aufragende gläserne Keil war Spielerei, Provokation und Geniestreich zugleich, anno 1921, als in Deutschland die Wohnungsnot dramatisch war und die Inflation galoppierte. Ludwig Mies van der Rohes Vision wurde zur architekturhistorischen Ikone – und nie gebaut. Heute steht auf dem Spreedreieck an der Friedrichstraße ein finster-wurstiger Trumm, der die Sicht versperrt und die Laune verdirbt, zumal bei grauem Wetter.

Ein paar Kilometer weiter, am Potsdamer Platz, sieht die Welt ein wenig freundlicher aus. Aber auch hier drängt sich der Eindruck von gepresster, eingesperrter Baumasse auf. Echte Hochhäuser sind das nicht. Vielmehr scheint es sich um Gebäude mit Wachstumsstörung zu handeln. Die wollten, aber konnten nicht höher hinaus. Weil sie nicht durften.

Nach der Wende schwang Senatsbaudirektor Hans Stimmann gnadenlos den Traufhöhenhammer. Er vertrat das „steinerne Berlin“, bemühte irgendwelche guten alten Zeiten, die in dieser Stadt nie so gut und auch gar nicht so alt gewesen waren. Stimmann traf die Grundstimmung vieler Bürger und Politiker: Bloß nicht zu große Veränderungen! Als die schreckliche Gewissheit der Berliner Mauer gefallen war, wollte man es wenigstens in der neuen, alten Mitte ein bisschen gemütlich haben. Die Stimmann-Mentalität mag einem vorübergehenden Zeitgeist entsprungen sein, aber sie hat Folgen, die noch gar nicht abzusehen sind. Oder doch schon allzu deutlich: Auch in Franco Stellas Schuhkarton-Schloss wirkt die Ästhetik der Ängstlichkeit fort.

Berlin wächst. Es kommen immer mehr Touristen, es kommen auch immer mehr Menschen, die sich hier ansiedeln. Berlin wächst endlich so, wie man es sich immer erhofft hatte – auch weil es sicher schien, dass dieser Fall nie eintreten würde. Nach wie vor ist es ein flatschiges Wachstum in die Breite, scheint sich Berlin gegen das zu wehren, was Metropole und Großstadt ausmacht: Verdichtung.

Der Alexanderplatz ist dafür das schlagendste Beispiel. Immer noch so unwirtlich, wie es Alfred Döblin 1929 in seinem Roman beschrieben hat. Ein Ort der Depression und des Verbrechens. Vor zwanzig Jahren wurde der Masterplan von Hans Kollhoff beschlossen, mit zehn Hochhäusern, 150 Meter hoch. Der große Alexanderplatz gab Anlass zu den schönsten Hoffnungen, weil nichts mehr zu verderben, zu verbauen ist.

Jetzt wird auch hier rasiert. Stimmanns Nachfolgerin, die Senatsbaudirektorin Regula Lüscher, greift den Masterplan an. Es müsse umgeplant werden, nach all der Zeit. Plötzlich fällt ihr auf, dass Bauten im Wege stehen. Und dass manch ein Haus der DDR doch seine Reize hat.

Schreckliche Fallwinde fegen über den Alex. Kollhoff will am Architekturwettbewerb nicht teilnehmen, er lehnt den Investor ab. Verständlich, denn die bisher hier aufgeführten Shoppingbuden sind unförmig und hässlich. Stimmann verfolgte immerhin eine Idee mit Leidenschaft, wenn auch die grundfalsche. Niemand im Senat besitzt solche Statur und Energie, die Stadt aus der Traufe wieder herauszubringen – in die Höhe.

Nicht jeder Wolkenkratzer ist schön. Aber es gibt famose Hochhäuser, in Chicago, in Warschau, in Schanghai, am Golf. Sie repräsentieren nicht nur kaltes Geld, sondern auch Zukunftskraft und Zuversicht. Sie sind Leuchttürme, Krone der Stadt, sie fangen die Sonne ein. Im Himmel über Berlin sind noch Wohnungen frei. Man muss sie nur bauen.

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