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Wahlplakate in der Wilmersdorfer Straße

© dpa

Wirtschaftswachstum: Berlin wächst - mit dem Geld der anderen

Die Berliner sollen sich freuen über das Wirtschaftswachstum ihrer Stadt. Doch das Geschäftsmodell Berlin funktioniert ausschließlich auf Kosten anderer Bundesländer und künftiger Generationen. Daran wird sich wohl kaum etwas ändern.

Ein Bettler sitzt auf dem Bürgersteig, vor sich eine Mütze mit ein paar Münzen. Wenn ein Passant ein 20- Cent-Stück dazulegte – bräche der Mann in Jubel aus? Er hätte schließlich auf einen Schlag ein paar Prozent mehr Wirtschaftskraft. Doch etwas mehr von wenig ist immer noch nicht viel. Trotzdem sollen die Berliner sich freuen über das Wirtschaftswachstum ihrer Stadt. So wollen es die rot-roten Wahlkämpfer. Wirtschaftssenator Harald Wolf will die Bürger am Boom beteiligen, der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit rühmt die Zuwachsraten als bundesweit spitze.

Ja, Berlin holt seit 2004 auf und kann bald eine jährliche Wirtschaftsleistung von mehr als 100 Milliarden Euro vorweisen. Doch es geht so langsam! Um auf Bundesdurchschnitt zu kommen, müsste Berlin einige Jahre überdurchschnittlich wachsen, davon fehlt aber jede Spur. In diesem Jahr liegen der Bund und Berlin mit rund drei Prozent Wachstum gleichauf. Die jüngste Rezession hat Berlin vor allem deswegen nicht stark erwischt, weil es an Industrie fehlt. Was nicht da ist, kann nicht wegbrechen. Und es ist leider so: Berlin hat in etwa die gleiche Wirtschaftskraft wie Hamburg – aber doppelt so viele Einwohner. Und während im Süden Deutschlands vereinzelt Vollbeschäftigung erzielt wird, leistet sich Berlin eine Arbeitslosenquote von 13 Prozent.

Trotzdem: In der Dekade, in der Klaus Wowereit an der Spitze des Senats steht, hat sich in Berlin wirtschaftlich vieles zum Besseren gewandelt. Vor allem hat Berlin eine Anziehungskraft entwickelt, bei der nur wenige Weltmetropolen mithalten können, auch dank der Kulturpolitik des Regierenden Bürgermeisters. Nur ist das Geschäftsmodell nicht nachhaltig. Es funktioniert nur unter zwei Voraussetzungen: Erstens müssen Flugreisen billig bleiben, damit all die Menschen nach Berlin kommen. Das ist riskant: Wenn der Ölpreis irgendwann wieder steigt, werden sich Ryanair, Easyjet und Air Berlin umschauen (was auch eine Gefahr für den neuen Großflughafen BER darstellt).

Zweitens aber fließen in Berlin enorme Subventionen und zwar auf Pump. Kulturbetrieb und Infrastruktur, die für die Touristen am Laufen gehalten werden, finanzieren sich nicht selbst. Was die Schulden angeht, wird häufig argumentiert, Berlin müsse die Lasten der Einheit schultern; schuld an dem Debakel sei der Größenwahn nach der Wende. Das erklärt aber nicht, warum die Verschuldung Berlins unter Klaus Wowereit von knapp 40 auf deutlich über 60 Milliarden Euro steigen musste, also um mehr als die Hälfte.

Das Geschäftsmodell Berlin funktioniert ausschließlich auf Kosten anderer Bundesländer und künftiger Generationen. Um das zu ändern, braucht es mehr industrielle Wertschöpfung. Klaus Wowereit hat das zuletzt zunehmend als sein Thema erkannt und verkauft. Aber wie ernst er es wirklich nimmt, bleibt sein Geheimnis. Nachdem sich Siemens entschieden hatte, die neue Infrastruktur-Sparte mit Milliardenumsätzen nicht in Berlin, sondern in München anzusiedeln, sagte deren Chef Roland Busch auf die Frage, ob er schon mit Klaus Wowereit Kontakt gehabt habe: „Noch nicht persönlich, aber das steht auf der Agenda.“

Eigentlich muss es aber doch so sein, dass Siemens sich bei einer solchen Entscheidung vor Anrufen, Mails, Briefen und Besuchen des Regierenden nicht retten kann. Trostlos ist, dass auch die anderen Spitzenkandidaten nicht den Eindruck machen, das besser zu können. Da bleibt Berlin wohl auf lange Sicht nichts anderes übrig, als in Bayern, Baden-Württemberg und sonst wo zu betteln.

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