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Zwei junge Frauen stehen vor einer Wand mit Plakaten, die auf einer Ausbildungsmesse für Berufe werben.

© dpa

BGH-Urteil: Die Eltern müssen zahlen

Drei Jahre hat eine junge Frau gebraucht, um einen Ausbildungsplatz zu finden. Trotzdem müssen ihre Eltern sie in der Ausbildung unterstützen. Das hat der Bundesgerichtshof entschieden - und so das Unterhaltsrecht um eine Facette komplizierter gemacht.

Von Fatina Keilani

Die heutigen jungen Leute wollen keine Karriere mehr um jeden Preis. Sie wollen die Welt sehen und Arbeit und Spaß vereinbaren können. In Bewerbungsgesprächen fragen sie nicht nach Aufstiegsmöglichkeiten oder dem Dienstwagen, sondern nach Smartphone und Tablet. „Generation Y“ nennt man diese Generation, als Nachfolgerin (oder gar Upgrade?) der „Generation X“. Dabei lässt sich „Generation Y“ auch treffend englisch aussprechen: „Generation Why?“ Warum Karriere machen, warum diese ganze Disziplin, dieser Stress, dieses Gerackere der Elterngeneration? Deren Leitmotiv, den Kindern solle es einmal besser gehen, hat ohnehin ausgedient – Steigerungen des Lebensstandards sind bei uns kaum noch möglich, sie finden jetzt in den Schwellenländern statt.

Die Eltern haben die Kinder gewaltfrei und ohne Drill erzogen, und nun haben sie den Salat: Auch wenn einer nicht aus den Puschen kommt oder erst Jahre nach dem Schulabschluss endlich mal eine Ausbildung anfängt, kann er Unterhaltsansprüche haben. Das hat der Bundesgerichtshof in dieser Woche klargestellt und damit die weite Welt des Unterhaltsrechts um eine Facette erweitert.

Geklagt hatte eine junge Frau, die sich nach einem mäßigen Realschulabschluss drei Jahre lang mit Praktika und Gelegenheitsjobs über Wasser hielt, ohne Geld von den Eltern zu bekommen. Stets hoffte sie dabei auf eine Lehrstelle. Im August 2010 begann sie schließlich eine Ausbildung zur Fleischereifachverkäuferin und verlangte dafür vom Vater Unterhalt. Der weigerte sich. Sie verklagte ihn – und gewann alle drei Instanzen, obwohl die bisherige Rechtsprechung in der Regel nur ein Jahr Schonfrist für die Jugend vorsieht. Und auch in dem einen Jahr durfte man sich nicht vom Sofa aus „orientieren“, sondern musste sich „planvoll und zielstrebig“ um einen Ausbildungs- oder Studienplatz bemühen. Tat man das nicht, mussten die Eltern nicht zahlen.

Durch die vielen Praktika habe sich die Klägerin genug gekümmert, konstatierte der BGH am Mittwoch. Der Beschluss stärkt besonders schwächere Schüler, die mangels toller Noten oft nicht direkt Erfolg beim Bewerben haben, sondern erst im Praxistest bestehen.

Einer der einschlägigen Sätze im BGB ist so schön schlicht wie die meisten älteren Paragrafen: „Verwandte in gerader Linie sind verpflichtet, einander Unterhalt zu gewähren.“ Er birgt aber soziale Sprengkraft. Denn das heißt auch, dass Kinder ihren Eltern Unterhalt schulden. Haben die Eltern dem Kinde die Ausbildung finanziert und leben dann lange und bis zur Pflegebedürftigkeit, dann steht das nunmehr berufstätige Kind ebenso in der Pflicht, die alten Eltern zumindest zum Teil zu finanzieren. Im teuersten Falle hat es auch noch eigene Kinder und muss in beide Richtungen zahlen. In dieser Sandwich-Situation verarmt es sich leicht.

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