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Gemeinsam unterwegs. Hartmut Mehdorn und Joachim Hunold, hier 2009 im Hof des Kanzleramts, schätzen sich seit langem.

© dpa

Führungswechsel bei Air Berlin: Brutalstmöglicher Nachfolger

Joachim Hunold erklärt nach 20 Jahren an der Spitze von Air Berlin seinen Rücktritt. Und wen schlägt er als seinen Nachfolger vor? Den einzigen Mann im deutschen Transportgewerbe, der noch umstrittener ist als er selbst.

Da war er wieder: der Getriebene, der Anarchist, der Schalk und der Rheinländer. „Der Achim“, wie ihn – vom Kaufmannslehrling bis zum Finanzvorstand – alle bei seiner Air Berlin nennen, erklärt nach 20 Jahren an der Spitze seinen Rücktritt, ohne auch nur die engsten Mitarbeiter einzuweihen. Und wen schlägt Joachim Hunold als seinen Nachfolger vor? Den einzigen Mann im deutschen Transportgewerbe, der noch umstrittener ist als er selbst: Hartmut Mehdorn. Ausgerechnet Mehdorn, der Sanierer, der die Deutsche Bahn brutalstmöglich zur Börsenreife trimmte. Mehdorn, der wirklich jeden Euro aus jeder Strecke zog, auch aus der Berliner S-Bahn – was Berlins Bürger und Gäste noch heute jeden Morgen am Bahnsteig spüren. Mehdorn. Darauf muss man erst mal kommen.

Hunold kam darauf. Und das ist vielleicht der größte Beweis für sein herausragendes Talent als Manager. Hunold hätte seinen jungen Finanzvorstand Ulf Hüttmeyer nominieren können. Oder den selbst Fachleuten völlig unbekannten Paul Gregorowitsch, der ab September in den Vorstand von Deutschlands zweitgrößter Fluggesellschaft aufrücken wird. Darüber war zuletzt spekuliert worden. Beide könnten es vielleicht schaffen, Air Berlin nach drei Jahren Verlust wieder zum Profit zu fliegen. Und Hunold könnte weiter zwischen Bambi-Verleihung und der Sylter Sansibar den heimlichen Airline-Chef markieren. Aber Hunold pfiff drauf und rief am Vorabend seinen Duzfreund Mehdorn an, um ihn zu fragen, ob er machen will, was er selbst nicht mehr kann – Air Berlin retten.

Hunold glaubt, dass den Job nur jemand erledigen kann, der ein noch dickeres Fell hat als er selbst. Jemand, der sich von Gewerkschaften, kritischen Journalisten und Aktionären nichts sagen lässt, jemand, der bestens mit der Politik und den Dax-Bossen verbandelt ist. Und Hunold hat wohl leider recht.

Leider, weil es Air Berlin nun eigentlich gut tun würde, einen geschmeidigen Chef zu bekommen, der konsequent – aber still – das tut, was zu tun ist, um die Gesellschaft profitabel zu machen. Bei Sturkopf Mehdorn als Chef – und sei es auch nur für wenige Monate – besteht die Gefahr, dass sein Image auf Air Berlin abfärbt. Denn das hat Mehdorn offenbar nie verstanden: Am Ende sind es die Reisenden, die über den Geschäftserfolg entscheiden, nicht die Aktionäre.

Mit Hunold geht einer der ganz Großen des Luftfahrtgeschäfts und überhaupt ein Managertyp, wie es ihn heute fast nicht mehr gibt. Hunold ist total 90er. Er bewegt sich so sicher zwischen Rotwein-Hinterzimmer und Bierbank, wie sonst wohl nur der auch bald scheidende „Atom-Dino“ Jürgen Großmann von RWE. Diese Mischung aus kalter Schnauze und Hemdsärmel brauchte es, um in den wilden deutschen Nachwendejahren etwas ganz Großes aufzubauen.

Dem Manager Hunold darf man eine Träne nachweinen, weil er zeigt, was möglich ist, wenn man Grenzen überschreitet. Eine dieser Überschreitungen war seine Entscheidung, Air Berlins juristischen Sitz nicht etwa in Deutschlands Hauptstadt anzusiedeln, sondern in Rickmansworth, einem Kaff vor den Toren Londons. Dort konnte er die Hauptversammlungen ohne zu viele lästige Kleinaktionäre abhalten. Und er konnte dort die Gewerkschaften raushalten.

Er kokettiert bis heute mit diesem Ruf als Betriebsratsschreck. Der war er zuletzt aber nicht mehr wirklich – auch wenn die gestrigen Nachtritte von Verdi und Cockpit etwas anderes vermuten lassen. Hunold hat sich sehr wohl mit den Gewerkschaften arrangiert, ganz pragmatisch mit ihnen verhandelt. Er hat nur, anders als andere, keine Energie darauf verschwendet, einen Preis für betriebliche Basisdemokratie oder Familienfreundlichkeit zu gewinnen. Hunold ist alles Mögliche, aber er ist kein Heuchler. Auch sein Bekenntnis zu Berlin ist echt. Er glaubt an den Standort, den neuen Flughafen. Ihm verdanken viele Berliner Hoteliers ihre wirtschaftliche Existenz. Nicht nur sie dürften Hunold jetzt dankbar sein, dass er spät – aber wahrscheinlich nicht zu spät – abspringt, um Air Berlin vor der Zerschlagung durch Konkurrenten oder gar der Pleite zu bewahren.

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