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Terrorverdacht: Deutschland ist wieder einmal davongekommen

Dass bisher fast alle Terroranschläge in Deutschland vereitelt wurden, sollte nicht zu falscher Nachsichtigkeit verleiten. Die gefassten Terrorverdächtigen waren sogenannte "Homegrown Terrorists" ohne Kontakten zu Terrornetzwerken wie Al Qaida.

Von Hans Monath

Mit einem Schlag hat die Nachricht von der Verhaftung zweier Terrorverdächtiger einige Dimensionen zurechtgerückt. In der Debatte über innere Sicherheit waren im Berliner Wahlkampf die nächtlichen Streifzüge von Autozündlern zum alles beherrschenden Thema aufgestiegen.

Eine Serie von brennenden Autos zeigt die Politik relativ hilflos und kann auf Dauer auch das Vertrauen in den Rechtsstaat aushöhlen. Als die Polizei aber vor der Frage stand, ob sie mehr Kräfte gegen Autobrände oder zur Verhinderung eines Anschlags einsetzen sollte, war die Antwort klar. Nicht verwirrte Nutzer von Grillanzündern sind die größere Gefahr, sondern Terroristen, die töten wollen, weil sie die ganze Gesellschaft verachten.

Es ist ein seltsamer Zufall, dass die Sicherheitskräfte ausgerechnet drei Tage vor dem zehnten Jahrestag des 11. Septembers zuschlugen. In ihrem aggressiven Islamismus und dem Hass auf den Westen sind der Deutsch-Libanese und sein Helfer aus dem Gaza-Streifen den Attentätern um Mohammed Atta offenbar eng verbunden. Doch anders als die Flugzeugentführer von damals sind sie nicht Teil eines weltweiten Terrornetzwerkes und wären wohl auch kaum in der Lage gewesen, die Welt in Schock zu versetzen und Kriege zu provozieren.

Ungefährlich macht sie das noch lange nicht. Aus den Chemikalien, die die beiden jungen Männer systematisch zusammentrugen, lassen sich angeblich Bomben bauen. Dass solche Sprengsätze in jeder Millionenstadt ein Blutbad anrichten können, zeigen die schrecklichen Beispiele von Madrid oder London.

Die meisten Anschläge von Islamisten in Deutschland sind bislang gescheitert – und anders als in Berlin war das nicht immer das Verdienst der Ermittler. So töteten die Sprengsätze der Kölner Kofferbomber nur deshalb keine Bahnkunden, weil sie dilettantisch gebaut waren.

Nach „Nine-Eleven“ hatte die Politik reagiert und die Sicherheitsgesetze verschärft, ohne dabei den Rechtsstaat preiszugeben. Anschläge der Sauerland-Gruppe auf US-Basen konnten die Behörden ebenso verhindern wie solche einer Düsseldorfer Al-Qaida-Zelle. Nur einmal gelang es bisher in Deutschland einem von islamistischer Propaganda getriebenen Täter, Menschen zu töten: Im März erschoss ein Kosovo-Albaner am Frankfurter Flughafen zwei US-Soldaten.

Freilich stehen die Sicherheitskräfte vor einem Dilemma. Seit 2009 ist schon die Vorbereitung einer schweren Gewalttat strafbar. Das macht ein frühes Eingreifen möglich, auch wenn der Beweis für eine geplante Terrortat noch nicht auf dem Tisch liegt. Doch wenn die Polizei wie nun diese Möglichkeit nutzt, läuft sie Gefahr, dass Verdächtige vom Richter wieder auf freien Fuß gesetzt werden.

Erst der Hinweis misstrauisch gewordener Lieferanten soll die Polizei diesmal auf die Spur gebracht haben. Antiterrorgesetze alleine reichen offenbar nicht aus, um Verdächtige zu entdecken. Dazu braucht es auch die Aufmerksamkeit von Bürgern, die merkwürdiges Verhalten nicht einfach ignorieren.

Die lange Liste der vereitelten Terroranschläge in Deutschland sollte nicht zu falschen Schlüssen verleiten. Niemand kann sich darauf verlassen, dass künftig Attentate verhindert werden können. Auf die Gefahr kann man sehr verschieden reagieren. Wachsam sein, ohne hysterisch zu werden, das ist wohl die Geisteshaltung, in der man die Ungewissheit am besten erträgt, wenn man nicht die eigene Freiheit opfern will.

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