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Betreuungsgeld: Die CSU als Schutzmacht häuslicher Erziehungsarbeit

Die Entscheidung in der Koalition für das Betreuungsgeld dient vor allem der Gesichtswahrung der CSU. Sie zeigt aber auch, welch geringen Stellenwert die Familienpolitik inzwischen bei Angela Merkel besitzt.

Von Hans Monath

Natürlich war der Finanzminister dabei, als die Koalition stundenlang über Steuersenkungen verhandelte. Die Familienministerin saß dagegen nicht am Tisch, als sich Union und FDP darauf einigten, ein Betreuungsgeld zu schaffen, das häusliche Erziehungsarbeit belohnt. Ihre Expertise war nicht gefragt. Dabei geht es beim Betreuungsgeld um weit mehr als nur um eine kleine neue Leistung des Staates.

Die Koalition hat eine Grundsatzentscheidung in Zeiten knapper Kassen getroffen. Sie kämpft nicht mit aller Kraft für den Ausbau der Infrastruktur für Familien, sondern erhöht den direkten Transfer an die Alleinverdienerfamilie, die durch Ehegattensplitting und beitragsfreie Krankenmitversicherung längst bevorzugt ist. Mit einem existenziellen Bedarf wird das nicht begründet. Vielmehr geht es um Psychologie, um Anerkennung der Erziehungsleistung jener Mütter, die sich durch die Staatshilfen für berufstätige Eltern gekränkt fühlten.

Als deren Schutzmacht spielt sich die CSU auf. Dabei hatten immer mehr Familienpolitiker der CDU eingesehen, dass Transferzahlungen nach dem Gießkannenprinzip gegen die wichtigsten Nöte von Familien nicht helfen. Die neue Leistung löst auch nicht das Problem, dass die Länder zwei Jahre vor der Einführung des Rechtsanspruchs auf Betreuung ihre Ausbauziele nicht erreichen. Erst wenn für alle Kinder, deren Eltern das wünschen, Betreuungsplätze angeboten werden, ist wirklich Wahlfreiheit geschaffen.

Sicher wird sich kaum eine berufstätige Mutter aus einer Mittelschichtfamilie wegen 150 Euro entscheiden, nicht in den Job zurückzukehren und das Kind aus der Krippe zu nehmen. Sozial schwächere Familien werden dem Fehlanreiz eher erliegen. Das zeigt das Beispiel Thüringen, wo 2006 ein Landeserziehungsgeld eingeführt wurde. Schnell ging die Zahl der Zweijährigen deutlich zurück, die Krippen besuchen. Gerade Familien aus bildungsfernen Schichten nahmen lieber die Geldleistung, anstatt ihre Kinder zeitweise in die Obhut von Erziehungsprofis zu geben. Die neue Leistung finanzierte das Land auch durch Einsparungen bei den Kitas.

In vielen anderen deutschen Ländern ist die Zahl der Kinder, die von der gesellschaftlichen Entwicklung ausgeschlossen sind, größer als in Thüringen. Krippen oder Kitas können Kindern, die kaum Deutsch sprechen, helfen, damit sie später besser vorankommen. Die Milliarden für das Betreuungsgeld wären besser angelegt in Programmen zur Integration dieser Benachteiligten.

In der entscheidenden Phase deutscher Gesellschaftspolitik hätte man sich eine starke Familienministerin gewünscht, die mit Fantasie und Power gegen das Betreuungsgeld kämpft. Schröders Vorgängerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte gezeigt, welche politische Macht das Ressort im Bündnis mit Öffentlichkeit und gesellschaftlichen Gruppen entfalten kann. Der Einfluss ihrer Nachfolgerin aber reichte nicht einmal so weit, dem Betreuungsgeld seine giftigsten Stacheln zu ziehen.

Der jungen Ministerin muss man ihren geringen Wirkungsgrad beim „Rollback" auf ihrem Politikfeld nicht vorwerfen. Ihr fehlen Erfahrung und Autorität. Ihre Berufung vor zwei Jahren machte deutlich, welchen geringen Stellenwert die Kanzlerin der Familienpolitik zumisst. Deshalb hat es wohl eine traurige innere Logik, dass der Koalition nun die Gesichtswahrung der CSU wichtiger ist als eine Zukunft, in der möglichst viele Kinder bessere Chancen haben.

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