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Spitzengrüne.

© dpa

Die Grünen und die FDP: Die Grünen sind nicht die Partei der Freiheit

Die Grünen wollen die Nachfolge der FDP antreten. Doch ihr Verständnis von Liberalismus bleibt ein kollektives - sie drücken sich davor, die Grenzen zwischen der Freiheit des Einzelnen und den Zwängen der Gesellschaft genauer zu definieren.

Zumindest in einer Hinsicht können es die Grünen mit der aus dem Bundestag verschwundenen FDP problemlos aufnehmen: wenn es darum geht, bei dem Wort „Freiheit“ die Backen ganz dick aufzublasen. In ihrem vor zwei Jahren verabschiedeten Grundsatzprogramm hatte sich die FDP in Überschätzung ihrer Möglichkeiten noch als „treibende Kraft der Freiheit“ gelobt. In dieser Woche schreiben die Grünen in einem Diskussionspapier zur „Weimarer Erklärung“ ihrer Bundestagsfraktion: „Die Farbe der Freiheit ist Grün.“

Vor einem Jahr noch hatte das bei den Grünen ganz anders geklungen. Damals verabschiedete deren Fraktion ebenfalls in Weimar ein Papier, das bereits in der Überschrift vorhersagte: „Die Farbe des Jahres ist Grün.“ Gefordert wurde darin unter anderem ein Spitzensteuersatz von 49 Prozent. Dass Grün im vergangenen Jahr gerade nicht zur Modefarbe wurde, dürfte unter anderem auch an diesem Programmpunkt gelegen haben.

Selbst in der grünen Parteispitze wird inzwischen die Analyse geteilt, dass die Steuerpläne und das Image der „Verbotspartei“ bei der Bundestagswahl gewaltig geschadet haben. Ein wirklich neues Steuerkonzept aber hat die Partei seitdem nicht präsentiert. Und auch der obligatorische „Veggie“-Day, der die Grünen in den Ruf des Autoritären brachte, dürfte in der Partei viel weniger umstritten sein als in der Öffentlichkeit. So könnte es sein, dass die Grünen mit der Vereinnahmung des Freiheitsbegriffs gar nicht auf abspenstige FDP-Wähler zielen. Es geht ihnen wohl eher darum, die Trümmer des eigenen Wahlprogramms durch die Hintertür zu entsorgen.

Wer sich das Freiheitspapier der Grünen durchliest, dem fällt vor allem auf, wie oft der Begriff „Wir“ verwendet wird. Zwar gibt es auch so etwas wie kollektive Freiheit. Darum geht es den Grünen zum Beispiel, wenn sie einen stärkeren Schutz der Deutschen vor der Ausspähung durch ausländische Geheimdienste fordern. Am Ende aber bleibt Freiheit historisch und ideengeschichtlich doch ein vorwiegend individualistisches Konzept. Und genau an diesem Punkt drücken sich die Grünen davor, die Grenzen zwischen der Freiheit des Einzelnen und den Zwängen einer Gesellschaft genauer zu definieren.

Ein Satz aus dem Papier macht dies besonders deutlich: „Wir sind die politische Kraft, die den Menschen vermittelt: Alle gehören dazu.“ Ganz offensichtlich vertreten die Grünen also einen ganz anderen Freiheitsbegriff als den des klassischen Liberalismus. Ihnen scheint es in erster Linie um „positive Freiheit“ zu gehen, die Freiheit, etwas tun zu können – und nicht die Freiheit von etwas, also die „negative Freiheit“.

Allzu weit ist dieser grüne Freiheitsbegriff vom bundesrepublikanischen Mainstream damit nicht mehr entfernt. SPD und Union versprechen den Bürgern ebenfalls gerne noch mehr „Teilhabe“ – und drücken sich davor zu sagen, welche Einschränkungen mit mehr Freiheit verbunden sein können.

Auch die Grünen wollen Freiheit vor allem vermitteln, ohne jemandem wehtun zu müssen – und sie vergessen, dass dies kaum funktionieren kann. Würde man zum Beispiel das Konzept der Meinungsfreiheit konsequent anwenden, dann müsste man wohl auch das Verbot der Holocaust-Leugnung in Deutschland aufheben. Würde man wirtschaftliche Freiheit konsequent zu Ende denken, dann müssten die Grünen gegen sämtliche Frauenquoten sein, denn zunächst einmal schränken diese die Handlungsfähigkeit von Firmen ein.

Am augenfälligsten aber könnten die Grünen mit ihrem neuen Freiheitsduktus auf ihrem ureigensten Feld scheitern, in der Umwelt- und Energiepolitik. Die Energiewende mag richtig sein. In der Geschwindigkeit, die die Grünen verlangen, lässt sie sich aber ohne Einschränkungen der individuellen Freiheit kaum realisieren. Dass die Grünen in ihrem Wahlprogramm höhere Steuern forderten, hatte ja nicht nur mit Neid auf Besserverdienende zu tun. Es ging auch darum, für die Umstellung der Energieversorgung genügend Geld zur Verfügung zu stellen.

Mit dem Wert der Selbstverantwortung aber hat das kaum mehr etwas zu tun. Wenn dies so wäre, dann müssten die Grünen auch Fleischliebhaber tolerieren und Umweltverpester im Zweifel in Ruhe lassen.

Die Freiheit, die die Grünen meinen, ist eine kollektive Sache. Für diese Politik können die Grünen werben, das ist ihre Angelegenheit. Den Freiheitsbegriff sollten sie aber lieber zurückhaltend gebrauchen. Schon der FDP hat die Überstrapazierung der Freiheit nicht gutgetan.

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