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Eine, zwei, viele Angela Merkels: Die Kanzlerin schafft es nicht mehr, Deutschland als einen Hauptakteur der Weltpolitik zu platzieren.

© dpa

Nach dem G8-Gipfel: Die Kanzlerin ist ein Schatten ihrer selbst

Deutschland hat seine Rolle als Hauptakteur der globalen Bühne auf dem G8-Gipfel nicht richtig gespielt. Die wichtigste Wirtschaftsmacht Europas droht ins politische Abseits zu geraten.

Zu reden ist von einem höchst beklagenswerten Zustand. Vom Verfall des Ansehens eines bedeutenden Landes, vom Rückfall in eine Zeit, in der dieses Land nicht Handelnder, sondern Behandelter der Weltpolitik war. Zu reden ist vom selbst verschuldeten Abstieg Deutschlands aus dem Kreis der Gestalter in den der Claqueure und Buhrufer. Und die Frage ist zu stellen, welche Ursachen dieser Niedergang innerhalb von nicht einmal anderthalb Jahren hat.

Deutschland ist die mit Abstand wichtigste Wirtschaftsmacht der Europäischen Union. Die Weiterentwicklung der EU ist ohne den Motor Deutschland nicht denkbar. Die Euro-Schuldenkrise ohne aktive deutsche Beteiligung zu lösen erscheint unvorstellbar. Deutschland will einen ständigen Sitz im Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen. Deutsche Soldaten stehen zusammen mit denen anderer Nato-Staaten in Afghanistan im Kampf gegen den Terrorismus.

Jeder dieser Sätze beschreibt Fakten oder Ziele. Aber das Bild, das Deutschland im Moment in der Europäischen Union und auf der Weltbühne bietet, hat mit diesen Sätzen nicht mehr viel gemeinsam. Berlin spielt im Konzert der größeren Mächte seit Monaten kein Instrument mehr. Paris oder London machen die Musik und geben die Einsätze. Auf der Bühne der Weltpolitik hat dieses Land, vertreten durch seine Regierung, allenfalls die Rolle des Nachplapperers übernommen. Das Spiel selbst gestalten andere. Dass aus Berlin einmal Regie geführt wurde – Gerhard Schröder, Angela Merkel doch auch – wie lange ist das her? Es ist doch immer noch dieselbe Kanzlerin, die bis 2009 in der großen Koalition zusammen mit Partnern wie Frank-Walter Steinmeier, Peer Steinbrück und Olaf Scholz die Folgen der Weltwirtschaftskrise bravourös meisterte. Die Angela Merkel, die auf dem G-8-Gipfel in Heiligendamm die Themen vorgab und in den internationalen Leitmedien als hochbegabte Weltenlenkerin gerühmt wurde.

Und jetzt? Die alte Weltkrieg-II-Koalition aus Frankreich, England und den USA schaltet sich aktiv in Libyen ein und setzt das Signal, dass der Westen die Demokratiebewegungen der arabischen Welt stützt. Die drei tragen, offensiv, Verantwortung. Deutschland steht abseits und trägt Bedenken vor. Jetzt auf dem Gipfel in Deauville am Ärmelkanal war die Staatsfrau des Jahres 2007 an der Ostsee ein Schatten ihrer selbst, so, wie das Land, das sie repräsentiert, zum Schatten seiner selbst geworden ist. Deutschland ist mit Deutschland beschäftigt. Die Regierung prahlt mit Kennzahlen des Wirtschaftsbooms. Aber die einzige Sorge, die sie plagt, ist, dass die Griechenlandrettung ja nicht zu teuer wird. Klar doch, Athen muss sparen und die deutschen U-Boote bezahlen, die wir dem Land aufgeschwatzt haben, das alles andere nötiger braucht als Rüstung.

Es fällt schwer zu glauben, dass der deutsche Niedergang nur am kleinen Koalitionspartner liegt, an der FDP, die mehr mit ihrem eigenen Erscheinungsbild beschäftigt ist als mit dem Bild Deutschlands in der Welt. Fehlt der Kanzlerin der Mut, laut zu sagen, dass Deutschland welt- und europapolitische Verantwortung hat und sich nicht einfach neutralistisch in die Ecke drücken darf? Es Westerwelle und de Maizière recht zu machen geht auf Dauer nicht. Angela Merkel muss schon als Richtlinie setzen, wer von beiden für Deutschlands Rolle in EU und UN steht. Und wo sie selbst steht.

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