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Die Exit-Strategie: "Ich habe die Grenzen meiner Kräfte erreicht", sagt Verteidigungsminister Guttenberg zum Ende seiner Rücktrittserklärung. Ein klares Schuldeingeständnis beinhaltet seine kurze Ansprache nicht.

© dapd

Guttenbergs Rücktritt: Ein Debakel für Merkel

Karl-Theodor zu Guttenberg hat sein Amt aufgegeben, ja, er hat es aufgeben müssen, weil man mit Betrug in Deutschland nicht durchkommen und auf Dauer Regierungsmitglied bleiben kann. Zurück bleibt mit Angela Merkel die eigentliche Verliererin der Plagiatsaffäre.

Von Antje Sirleschtov

Vorbei. Zwei Wochen lang hat das Land mit seinem Gewissen gerungen. Darf ein Mann Minister der Verteidigung bleiben, der eine Doktorarbeit gefälscht hat und selbst diese ungeheuerliche Tat erst nach massivem öffentlichen Druck halbwegs einzugestehen bereit ist? Soll er das womöglich dürfen, damit durchkommen, nur, weil er Deutschlands beliebtester Politiker ist? Am Dienstag ist Karl-Theodor zu Guttenberg von seinem Amt zurückgetreten. Und zwar nicht, weil eine Oppositionskampagne ihn dazu getrieben hat, wie er meint. Auch nicht, weil eine unbarmherzige Meute von Hauptstadtjournalisten ihm und seiner Familie bis zur Erschöpfung zusetzte. Dem Ehemann und Vater zweier Töchter sei diese Begründung für den Rücktritt verziehen. Dem Superstar auf der politischen Bühne darf man sie jedoch nicht durchgehen lassen.

Karl-Theodor zu Guttenberg hat sein Amt aufgegeben, ja, er hat es aufgeben müssen, weil man mit Betrug in Deutschland nicht durchkommen und auf Dauer Regierungsmitglied bleiben kann. Es hat eine Weile gedauert, bis diese schlichte Wahrheit der Köpfe auch die Herzen der Menschen erreichte. Aber es ist geschehen. Das ist entscheidend. Eine Welle des Anstands hat sich schließlich erhoben, als nichts mehr zu leugnen oder zu verniedlichen war. Im Kreis der Wissenschaftler, in der Bevölkerung, zum Schluss auch dort, wo es Unionspolitiker zunächst schier zu zerreißen drohte zwischen ihren persönlichen Überzeugungen und den politischen Opportunitäten ihrer Regierungspartei. Ehrlichkeit und Anstand haben sich an diesem Tag durchgesetzt. Selten gibt es Momente in der Politik, in denen man voll Erleichterung einfach nur hinausrufen möchte: Es ist richtig so.

Vorbei? In der Sache ist es das noch nicht. Nicht für den Ex-Minister, nicht für die schwarz-gelbe Koalition, der jetzt noch härtere Zeiten bevorstehen, und vor allem nicht für die Bundeskanzlerin selbst. Denn Angela Merkel ist an diesem Dienstag zum zweiten Mal innerhalb weniger Tage Opfer ihrer eigenen politischen Taktik geworden. Nicht dass Guttenberg geht, ist ein Debakel für Merkel, sondern wie er geht. Und besonders, wie er die Regierungschefin zurücklässt. Sie zurücklassen darf.

Zunächst hatte Merkel die Popularität des Ministers zum Maßstab ihrer Einschätzung seiner Verfehlungen gemacht. Wo der Mut der Regierungschefin vonnöten gewesen wäre, Guttenberg die Grenzen seines Tuns aufzuzeigen, hat sich Merkel fürs Wegsehen entschieden und der Öffentlichkeit eine Abspaltungstheorie zur Begründung angeboten: hier der Minister, da der Doktorand. Glaubte die Kanzlerin wirklich, das Volk nähme ihr ab, dass es einer Wissenschaftlerin, einer Doktorin der Physik, egal ist, mit wem sie am Kabinettstisch sitzt? Allzu Durchsichtiges in der Politik überzeugt nicht lange.

Viel schlimmer aber als dieser erste ängstliche Fehlzug, den man vielleicht noch erklären könnte vor der Politik-Folie der nahenden Wahlen in Baden-Württemberg, ist die Fortsetzung der Merkelschen Verschleierungstaktik. Die sogar über den Rücktritt des Ministers hinausgeht. Auch jetzt noch lässt die Kanzlerin offen, ob sich Bildungsministerin Annette Schavan womöglich nur stellvertretend für sie geschämt hat und Guttenberg zum Wochenbeginn längst ihre Gunst verloren hatte. Und gleichzeitig bedauert sie, dass der politisch so begabte Guttenberg zurückgetreten ist? Winkelzüge, wo man hinschaut.

Übrig bleibt nun ein Gefühl der Schalheit, und zwar gleichwie der Politiker Guttenberg gesehen wird. Denn da ist eine Regierungschefin, die weder aufrecht an der Seite des Ministers gestanden, noch Grundüberzeugungen ihrer Partei zur Geltung verholfen hat, als es nötig war: den bürgerlichen Werten von Anstand und Ehrlichkeit. So hat sich Angela Merkel selbst zur eigentlichen Verliererin der Plagiatsaffäre gemacht. Karl-Theodor zu Guttenberg ist abgegangen, wie es seine Art ist. Und hinterlässt einen Scherbenhaufen. Nur dass er den nicht mehr wegräumen muss.

Was kann da vorbei sein?

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