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Wenn die mal groß sind, können sie viel Blödsinn machen und die Schuld auf den anderen schieben.

© dpa

Ein SPRUCH: Eine Tat, ein Täter

Wer war's? Bei Zwillingen fällt die Antwort nicht leicht, wenn sie sich gegenseitig der Tat bezichtigen. Kann die Täterschaft nicht nachgewiesen werden, müssen beide freigesprochen werden.

Von Fatina Keilani

„Ich war's nicht!“ – Mit dieser alltäglichen Kinderlüge kommt eine Tätergruppe gut durchs Leben: kriminelle Zwillinge. An diesem Montag wird in Berlin ein Prozess gegen zwei 19-jährige Bosnier fortgesetzt, die eine 19-jährige Frau auf dem Gewissen haben. Die junge Frau wollte spät nachts gerade in ein Taxi steigen, weil ihr das sicherer erschien, als S-Bahn zu fahren, als ein Transporter sie erfasste, der auf dem Radweg angerast kam. Sie starb am Unfallort. Am Steuer saß einer der damals 18-jährigen Zwillinge, die Frage ist nur: welcher?

Immerhin ist es gelungen, gegen die beiden das Hauptverfahren zu eröffnen. Die Sache erinnert an einen anderen spektakulären Fall, der sich 2009 ereignete. Ende Januar wurde im KaDeWe Schmuck im Wert von rund fünf Millionen Euro geraubt; festgenommen wurden zwei Wochen später die Zwillingsbrüder Hassan und Abbas O. aus Niedersachsen. Gegen sie erging Haftbefehl; in Moabit wurden sie getrennt untergebracht. Doch es half nichts: Ende März wurden die Haftbefehle aufgehoben, die Männer kamen auf freien Fuß. Im September 2011 wurde das Verfahren eingestellt – von der Staatsanwaltschaft. Das Hauptverfahren wurde nie eröffnet. Es stand zwar fest, dass mindestens einer der beiden an dem Coup beteiligt war, doch es war nicht eindeutig klar, welcher. Und es ist nun einmal so, dass hierzulande der Staat die Schuld des Täters beweisen muss, und nicht etwa der Täter seine Unschuld. Gelingt dieser Beweis nicht, gilt „in dubio pro reo“.

Das erinnert an Schulfälle für Juristen, in denen sich Zwillinge gegenseitig der Tat bezichtigen. Kann die Täterschaft nicht nachgewiesen werden, müssen beide freigesprochen werden. Weil Hintermänner das wissen, werden Zwillinge öfter zur Tatausführung vorgeschickt. Würden beide verurteilt, so wäre ein Unschuldiger verurteilt – unerträgliches Ergebnis im Rechtsstaat. Eher soll ein Schuldiger frei herumlaufen, so der Grundgedanke. Und so schwer es fällt: Es ist gut, dass an diesem jahrtausendealten Rechtsgedanken nicht gerüttelt wird.

Mit rechtsstaatlichen Mitteln ist der Sache bisher nicht beizukommen. Noch nicht. Denn auch eineiige Zwillinge haben keine ganz identische DNA. Heutige Methoden reichen zwar nicht aus, um die Feinheiten bloßzulegen, anhand derer auch bei eineiigen Zwillingen der Beweis der Täterschaft geführt werden kann, aber es wird schon daran gearbeitet.

Oder der Vaterschaft. Denn auch hier hat das Zwillingsdasein seine Eigenheiten. Vor einigen Jahren wurde eine Frau schwanger, die mit dem Zwillingsbruder ihres Mannes fremdgegangen war. Sie hatte sowohl Sex mit ihrem Ehemann als auch mit seinem Bruder gehabt. Der Ehemann wollte das Kind nicht ohne Weiteres anerkennen. Doch es blieb ihm nichts anderes übrig: Ein Vaterschaftstest hätte keine Klärung gebracht.

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