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Ein SPRUCH: Glauben und Hoffen

Polemisch könnte man sagen: Der Asylbewerber wird immer mehr als Mensch anerkannt, den Gerichten sei Dank. Erst war er annähernd rechtlos.

Von Fatina Keilani

Polemisch könnte man sagen: Der Asylbewerber wird immer mehr als Mensch anerkannt, den Gerichten sei Dank. Erst war er annähernd rechtlos. Dann stellte im Juli das Bundesverfassungsgericht klar, dass Asylbewerbern in etwa gleiche Leistungen zu gewähren sind wie Hartz- IV-Empfängern. Am Mittwoch hat nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg jenen den Rücken gestärkt, die ungestört beten wollen. Sie müssen jetzt als Flüchtlinge anerkannt werden, falls ihnen bei der Religionsausübung in der Heimat Verfolgung droht, entschieden die Richter auf Nachfrage des Bundesverwaltungsgerichts. Auch das Argument von Behörden und Gerichten, man könne sich vor Verfolgung selbst schützen, indem man seinen Glauben nicht unnötig zur Schau stelle, ließen sie nicht gelten. Das sei unzumutbar. Es gehöre auch zur Glaubensbetätigung, seinen Glauben öffentlich zu leben. Wer seinen Glauben verbergen müsse, dem werde ein grundlegendes Menschenrecht genommen. Das ist nachvollziehbar. Schließlich heißt es Bekenntnis, weil man sich dazu bekennt.

Mit ihrem Spruch haben die Richter die Tür nach Europa weit geöffnet. Der Entscheidung liegt der Gedanke zugrunde, dass die Errungenschaften, auf die wir so stolz sind, die Freiheitsrechte, die Menschenrechte, auch für jene gelten müssen, die erst zu uns hineinwollen. Das kann man hochrechnen: Als Nächstes werden jene kommen, die wegen ihrer sexuellen Identität verfolgt werden und diese frei ausleben wollen, und sie werden vermutlich recht bekommen. Was ist zum Beispiel mit den Bewohnern von Gottesstaaten, die sich auf die Freiheit berufen, gerade nicht zu glauben und gerade keine Religion ausüben zu wollen? Der Logik nach dürfen auch sie kommen, wenn ihnen Zwang droht. Und was ist mit den unterdrückten Frauen dieser Welt?

Während Menschenrechtsorganisationen von dem Richterspruch begeistert sind, sehen Kritiker das Boot schon wieder voll – mit unabsehbaren Kosten, finanziell und sozial. Es ist gut denkbar, dass die Flüchtlingszahlen in der Folge dieses Urteils in ganz Europa steigen. Auch jedweder Missbrauch ist möglich, zumal die Religionsfreiheit es auch umfasst, seine Religion oder Weltanschauung frei zu wechseln – so steht es wörtlich in Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention.

Besser, wir bereiten uns darauf vor. Die da kommen werden, sind auf der Suche nach einem besseren Leben, nach Freiheit – und wenn ihnen das gelingt, dann auch wirtschaftlich, selbst wenn dies nicht die primäre Motivation für das Kommen gewesen sein sollte. Damit sie hier vollwertige Menschen werden können, erinnern wir uns am besten schon mal weiterer Menschenrechte, zu deren Einhaltung wir uns völkerrechtlich verpflichtet haben: des Rechts auf Bildung, Ausbildung und Arbeit.

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