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Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD.

© dpa

Eine Lektüre des Koalitionsvertrags: Klar, dass das keiner versteht!

Unser Kolumnist Helmut Schümann hat den Koalitionsvertrag gelesen. Naja, er hat es versucht, und das Werk dann doch in die Ecke geschmissen. Warum? Da stehen auch Sätze drin, bei denen man schon in der Mitte nicht mehr weiß, wie der Satz angefangen hat, und man ist noch gar nicht am Punkt angelangt. Na dann, viel Spaß, liebe SPD-Basis.

Weiß hier jemand, was „Schnellreaktionsmechanismus“ ist? Oder „Thesaurierungsregelungen“? Oder „Transphobie“? Oder „Spitzenclusterwettbewerbe“? Oder „Landesbasisfallwert“? Oder „Interoperabilität“? Ich weiß das nicht, ich kann mich aber jetzt auch nicht darum kümmern. Ich bin wieder auf Tour: „Walking home for Christmas.“ Dazu erst mal nur: Ich bin durch eine Gegend gekommen, da kann man sich Nasenlöcher stechen lassen. Für diejenigen, die bislang noch keine Nasenlöcher hatten, führt das zu einer komplett neuen transnasalen Erfahrung. Ich setze transnasal jetzt mal analog zu transparent.

Zurück zu den schwierigen Wörtern. Die haben Professor Doktor Frank Brettschneider, Leiter des Lehrstuhls für Kommunikationswissenschaft an der Universität Hohenheim, und Kollegen einem Werk entnommen. Sie machen so etwas öfter und forschen nach der Verständlichkeit von Texten. Sie haben auch einen „Verständlichkeitsindex“ aufgestellt, der von 0 (völlig unverständlich) bis 20 (sehr verständlich) reicht. Die Politik-Beiträge der „Bild“ liegen zum Beispiel bei 16,8. Politikwissenschaftliche Doktorarbeiten sind dagegen schwer verständlich mit einem Wert von 4,7. Das vorliegende Werk, das die Wissenschaftler sich gerade vorgenommen haben, hat einen Wert von 3,48, ist also noch unverständlicher.

Das ist also ein Text, bei dessen Lektüre man unweigerlich Hä?! sagt. Auch bei solchen Wörtern wie „Methodenbewertungsverfahren“, „Arzneimitteltherapiesicherheit“ oder „Flächenneuinanspruchnahme“. Hä?! Die Wörter stehen auch in dem vorliegendem Werk. Da stehen auch Sätze drin, bei denen man schon in der Mitte nicht mehr weiß, wie der Satz angefangen hat, und man ist noch gar nicht am Punkt angelangt. Das sind Sätze, die bis zu 40 Wörter haben. Wenn in solchen Sätzen auch noch Spitzenclusterwettbewerbe vorkommt oder Interoperabilität, sagt man Hä?! Hä?! Und schmeißt das Werk in die Ecke.

Das aber geht auf gar keinen Fall. Das Werk ist nämlich für eine nicht ganz so kleine und nicht ganz so einflusslose Gruppe von Menschen Grundlage für eine sehr wichtige Entscheidung. Die Gruppe muss das Werk nun lesen, dann entscheiden, ob es gut ist, und ob alles, was drinsteht, auch so gemacht werden soll. Liebe SPD-Basis, viel Spaß bei der Lektüre des Werks. Das untersuchte Werk ist nämlich der Koalitionsvertrag. Alle Parteien, auch die der Koalitionäre, fordern seit Jahren mehr Transparenz und Bürgernähe.

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