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Der Papst spricht, die Politiker lauschen andächtig.

© dapd

Der Papst im Parlament: Eine Rede an die Welt

Alle Bundestagsabgeordneten, die der Rede Benedikt XVI. fernblieben, verpassten einen Papst, der geradezu rührend dem Parlament seines deutschen Vaterlandes, wie er formulierte, die Ehre erwies.

Wenn man sich als Politiker immer nur die Reden anhören würde, von denen man annehmen kann, dass sie wohl dem eigenen Weltbild entsprechen werden, wären die Parlamente dieser Welt noch leerer, als sie es ohnehin oft sind. Die Bundestagsabgeordneten, die, so denkend, Papst Benedikt XVI. nicht die Ehre ihrer Anwesenheit geben wollten, wählten einen zulässigen, aber leider auch etwas engstirnigen Weg. Der Bundestag sei weder ein Ort der religiösen Missionierung noch eine Kirche, hat der SPD-Abgeordnete Rolf Schwanitz zuvor sein Fernbleiben begründet. Er und die anderen, die nicht kamen, haben viel versäumt.

Ihnen blieb ein Papst vorenthalten, der geradezu rührend dem Parlament seines deutschen Vaterlandes, wie er formulierte, die Ehre erwies. Ein Oberhaupt der katholischen Kirche, der erste deutsche Papst seit einem halben Jahrtausend, der sich als Landsmann bezeichnet, „der sich lebenslang seiner Herkunft verbunden weiß“ – da scheinen die, die den Mann nur als Repräsentanten einer obrigkeitsstaatlichen Organisation sehen wollen, doch etwas klein. Sie haben auch einen gewinnenden, humorvollen Redner verpasst, der, den Rechtsphilosophen Kelsen zitierend, unter Bezug auch auf sich selbst meinte, man könne offenbar mit 84 Jahren noch etwas Vernünftiges denken.

Benedikt XVI. hat seinen Zuhörern etwas zugemutet, aber ganz anders, als die wähnten, die nicht gekommen waren. Dieser Papst spricht deutsch, aber für manches braucht er einen Übersetzer. Die Zahl der Philosophen im Plenum dürfte gering gewesen sein, und ganz ohne Philosophie war ihm nur schwer zu folgen. Das legt die Vermutung nahe, dass der Papst sein Auditorium nur als repräsentativen Adressaten einer Botschaft verstand, die sich an die Weltöffentlichkeit richtet – verkündet vom Oberhaupt einer Weltkirche.

Da ist zunächst, nach der ganz grundsätzlichen Festlegung, dass das oberste Ziel der Politik Gerechtigkeit und die Unterscheidung von Gut und Böse sein müsse, die aus der deutschen Geschichte abgeleitete, aber dann sehr fundamentale These, dass die Mehrheit nicht immer recht hat, vor allem dann nicht, wenn sie die Menschenwürde missachtet. Benedikt XVI. zeigt die Konsequenzen daraus am Beispiel des Widerstandes gegen den Nationalsozialismus auf. Es heißt ihn kaum überinterpretieren, wenn man unterstellt, dass er auch die Präimplantationsdiagnostik und jeglichen Schwangerschaftsabbruch für solche Verstöße gegen die Menschenwürde hält, gegen die politischer Widerstand legitim wäre.

An die Welt und die gefährdete Umwelt richtet sich jene Passage, die deutsche Grüne wohl zu Jubelstürmen hinreißen wird – jene, die zugehört haben. Der Satz, dass „die Erde selbst ihre Würde in sich trägt“ und Benedikts geradezu leidenschaftliches Werben für die Ökologie im Umgang mit dem Menschen und der Schöpfung sind als bewusster Kontrapunkt gegen die raubbauerische Deutung des „Macht euch die Erde untertan“ aus Mose 1, Vers 28, zu verstehen.

Die Krise der Kirchen und die Vertrauensverluste durch die Missbrauchsfälle sollten am Abend in der Predigt im Olympiastadion angesprochen werden. Die Barmherzigkeit der Kirche im Umgang mit jenen, deren Lebensgeschichten Brüche aufweisen, hatte der Bundespräsident bei seiner Begrüßung angemahnt. Dass die Kirche in Europa zum Minderheitsthema wird, in Afrika und Amerika aber enormen Zuspruch erlebt, sollten Papstkritiker ohnedies im Blick haben.

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